Wer haftet bei einen Sturz auf einem Volksfest?
OLG Hamm: Volksfest („Kirmesbetrieb“) haftet bei Sturz über ungesicherte Versorgungsleitung
Oberirdische Versorgungsleitungen für Kirmesbetriebe müssen mit möglichst geringem Stolper- und Sturzrisiko für Kirmesbesucher und Anlieger verlegt werden. Stürzt ein Besucher oder ein Anlieger über eine unzureichend gesicherte Versorgungsleitung, kann er den verantwortlichen Kirmesbetrieb aufgrund einer Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm im Urteil vom 24.03.2015 entschieden (Az.: 9 U 114/14, BeckRS 2015, 06842).
Sachverhalt
Die 1953 geborene Klägerin aus Kamen stürzte im September 2009 während der alljährlich stattfindenden „Pflaumenkirmes“ auf dem Bürgersteig vor ihrem Wohnhaus. Für den Sturz machte sie oberirdisch verlegte Kabelversorgungsleitungen des Kirmesbetriebs verantwortlich. Es waren lose Kabel verlegt. Die lose verlegten Kabel waren zudem nicht abgedeckt. Die Klägerin zog sich einen Oberschenkelhalsbruch und einen Bruch ihres rechten Arms zu. Sie musste operativ versorgt und stationär behandelt werden. Vom beklagten Betrieb hat sie Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro verlangt. Die Klage vor dem Landgericht war erfolglos. Die Klägerin legte Berufung ein.
OLG: Betreiber haftet für Sturz über ein offen verlegte Kabel
Das Oberlandesgericht hat der Klägerin auf Ihre Berufung hin zum Teil Recht gegeben und das erstinstanzliche Urteil abgeändert. Der beklagte Betrieb hafte auf Schadensersatz, da er die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Während einer Kirmes müssten Stände und mobile Unterkünfte der Schausteller über oberirdisch verlegte Leitungen versorgt werden. Da sich kaum vermeiden lasse, dass diese Leitungen Laufwege von Besuchern querten, müsse einem Stolper- und Sturzrisiko mit einer sorgfältigen Verlegung beziehungsweise Abdeckung der Leitungen entgegengewirkt werden, weil der Kirmesbereich mit seinen wechselnden Attraktionen die Aufmerksamkeit des Besuchers auf sich ziehe und sie vom Bodenbereich ablenke.
Freiliegende Kabel bilden abhilfebedürftige Gefahrenquelle
Das gelte auch für Leitungen außerhalb des eigentlichen Kirmesplatzes, mit denen beispielsweise Wohnwagen der Schausteller versorgt würden. Ohne erkennbare Streckenführung, lose und ohne Abdeckung verlegte Leitungen erhöhten das Stolper- und Sturzrisiko und begründeten eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle. Über lose verlegte und unzureichend gesicherte Versorgungsleitungen sei die Klägerin nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme gestürzt. Dabei werde zu ihren Gunsten vermutet, dass die unzureichend gesicherte Gefahrenquelle ihren Sturz verursacht habe. Ob in dem Gefahrenbereich ausschließlich Versorgungsleitungen des beklagten Betriebes oder auch anderer Schaustellerbetriebe verlegt worden seien und über welches Kabel die Klägerin genau gestürzt sei, bedürfe keiner Aufklärung.
Klägerin trifft Mitverschulden
Da auch der beklagte Betrieb für die unzureichende Sicherung der Kabel verantwortlich sei und nicht nachgewiesen habe, dass die Klägerin über das Kabel eines anderen Betriebes zu Fall gekommen sei, werde zugunsten der Klägerin zudem vermutet, dass die Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten den Schaden mitverursacht habe. Die Klägerin müsse sich allerdings ein mit 50% zu bemessendes Mitverschulden entgegenhalten lassen, weil die Kabel bereits seit einigen Tagen vor ihrem Grundstück gelegen hätten und der Klägerin der unzureichende Verlegungszustand bekannt gewesen sei. Die Höhe des der Klägerin zustehenden Schadens wird das Landgericht in dem noch durchzuführenden Betragsverfahren zu klären haben.