Kein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld bei Arbeitsunfall
Wer als selbständiger Waldarbeiter im Rahmen eines eigenen Forstbetriebes Baumfällarbeiten gemeinsam mit einem anderen Forstunternehmer durchführt, hat keinerlei Schmerzensgeldansprüche, wenn er bei Baumfällarbeiten durch einen Mitarbeiter des Auftraggebers verletzt wird!
Entscheidung
Der Inhaber eines Forstbetrieb, der bei Baumfällarbeiten für einem anderen Forstbetrieb mit Mitarbeitern des anderen Forstbetriebes zusammenarbeitet, hat keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, wenn er durch einen Mitarbeiter des anderen Forstbetriebes schuldhaft verletzt wird.
Arbeitsunfall nach §§ 104 ff. SGB VII
Bei einem Unfall, bei welchem der selbständige Forstwirt Baumfällarbeiten für einen anderen Auftraggeber gemeinsam mit Mitarbeitern des anderen Auftraggebers durchführt, handelt kann es sich um einen „Arbeitsunfall“ im Sinn von §§ 104 ff. SGB VII handeln. Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld sind demnach ausgeschlossen.
Auch wenn der Inhaber des Forstbetriebes bei den Baufällarbeiten als Selbständiger für einen anderen Auftraggeber tätig wurde, ist er nach der Rechtsprechung kann er „in die betriebliche Sphäre des anderen Unternehmens“ eingegliedert sein. Er hat demnach bei einem Unfall nur Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Sachverhalt:
Der Geschädigte war selbständiger Schreiner mit einem eigenen Forstbetrieb. Er wurde von einem anderen selbständigen Forstbetrieb mit Baumfällarbeiten in einem fremden Wald beauftragt. Die Baumfällarbeiten sollten von ihm im Rahmen seines selbständigen Forstbetriebes auf Rechnungsbasis für den Auftraggeber abgerechnet werden. Zum Zeitpunkt des Unfalles arbeitete der Geschädigte bei Baufällarbeiten lediglich gemeinsam mit einem Angestellten seines Auftraggebers auf einem Grundstück bzw. Forstgelände eines Dritten.
Während Entastungsarbeiten hatte ein Angestellter im Betrieb des Auftraggebers dann entgegen der Unfallverhütungsvorschriften Forsten VSG 4.3, dort § 5 II begonnen, einen anderen Baum zu fällen. Hierbei hatte er schuldhaft übersehen, dass sich im Fallbereich des Baumes noch der Geschädigte befand. Der Baum stürzte dann auf den Geschädigten und verletzte diesen schwer.
Wie sah es nun mit Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen aus?
Unstreitig war, dass der Mitarbeiter des Auftraggebers schuldhaft den Unfall und die Verletzungen des Geschädigten verursachte hatte. Er hatte entgegen den geltenden Unfallverhütungsvorschriften mit dem Fällen des Baumes begonnen, obwohl sich im Fallbereich noch weitere Personen aufhielten und ein hindernisfreies Rückweichen nicht gewährleistet war. Zudem wurde während der begonnenen Fällarbeiten vom Mitarbeiter des Auftraggebers nicht dafür Sorge getragen, dass im Fallbereich keine anderen Personen sich aufhalten.
Obwohl die Verursachung des Unfalles und die schwersten Verletzungen des Geschädigten unstreitig auf eine schuldhafte Handlung des Angestellten des Auftraggebers zurückzuführen waren, hatte der geschädigte selbständige Forstwirt keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Ausschluss von Schadensersatzansprüchen und Schmerzensgeldansprüchen
Wer als selbständiger Waldarbeiter bzw. Inhaber eines selbständigen Forstbetriebes im Zusammenhang mit Baumfällarbeiten, die von einem anderen durchgeführt werden, tätig wird, kann derart „in die betriebliche Sphäre des anderen Unternehmens“ eingegliedert sein, dass für einen Außenstehenden das Gesamtbild einer Arbeitnehmertätigkeit besteht.
Auch dann, wenn die Arbeiten gegenüber dem Auftraggeber selbständig mit eigener abgerechnet und weisungsungebundene, eigene selbständige Tätigkeit im Zusammenhang mit der Baumfällarbeit entfaltet wird, können die durchgeführten Baumfällarbeiten letztlich dem Auftraggeber dienen. Die Arbeiten des selbständigen Forstbetriebes sind diesem nützlich und arbeitserleichternd für den Betrieb des Auftraggebers. Demnach muss – mag auch nur eine kurzfristige, einmalige Tätigkeit vorgelegen haben – von einer „Eingliederung“ in den fremden Betrieb ausgegangen werden. In diesem Fall handelt es sich dann um einen „Arbeitsunfall“ i.S.v. §§ 104 ff. SGB VII.
Die Haftung von „anderen im Betrieb tätigen Personen“ ist gemäß § 105 I 1 SGB VII auch gegenüber einem selbständigen Forstunternehmer beschränkt.
„Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall vom Versicherten desselben Betriebs verursachen“, machen sich nicht schadensersatzpflichtig gegenüber Personen, die für den denselben Betrieb tätig sind.
Bei einem „Arbeitsunfall“ sind Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche des Geschädigten gegen andere Mitarbeiter im Betrieb des Auftraggebers ausgeschlossen!
Vorsicht:
Nach vergleichbaren Entscheidungen kann auch schon bei einer einzigen bloßen Hilfeleistung aus einem eigenen Entschluss des Hilfeleistenden und ohne vorherige Absprache mit Betriebsangehörigen, gewissermaßen spontaner und punktueller Hilfe ein Arbeitsunfall vorliegen.
Wer für „denselben Betrieb“ tätig wird, ist als „Versicherter desselben Betriebs“ im Sinn von § 105 I 1 SGB VII anzusehen. Dies gilt auch entsprechend bei der Schädigung von Personen, die für denselben Betrieb tätig und nach § 4 I 1 SGB VII versicherungsfrei sind.
„Für die unfallversicherungsrechtliche Zuordnung der Tätigkeit kommt es darauf an, ob ihr Aufgaben des Fremden oder solche des eigenen Unternehmens das Gepräge gegeben haben. Auch unter der Geltung des § 105 I SGB VII ist dabei davon auszugehen, dass derjenige, der Aufgaben wahrnimmt, die sowohl in den Aufgabenbereich seines Unternehmens als auch in denjenigen eines fremden Unternehmens fallen, alleine zur Förderung der Interessen seines Unternehmens tätig wird. Erst wenn die Tätigkeit nicht mehr als Wahrnehmung einer Aufgabe seines Unternehmens bewertet werden kann, kann sie dem fremden Unternehmen zugerechnet werden“, (BGH, Urteil vom 30.04.2013, Aktenzeichen: VI ZR 155/12, zitiert nach juris, dort Rn.Nr. 13 mit weiteren Nachweisen).
Wenn sich für einen Außenstehenden bei der durchgeführten Tätigkeit des Forstunternehmers nach dem Gesamtbild aufdrängt, dass es sich um eine Arbeitnehmertätigkeit im (anderen) Betrieb handelt, liegt keine eigene Tätigkeit des Geschädigten vor.
Darüber hinaus muss auch davon ausgegangen werden, dass eine „Arbeitsberührung“ auf einer „gemeinsamen Betriebsstätte“ im Sinne von § 6 III SGB VII vorliegt.
Lediglich dann, wenn sich parallele Tätigkeiten beziehungslos nebeneinander vollziehen, kann nicht von einem Arbeitsunfall ausgegangen werden.
Vorsicht ist für selbständige Forstarbeiter / Waldarbeiter geboten
Insbesondere sind Schadensersatzansprüche und Schmerzensgeldansprüche im Falle eines Arbeitsunfalls – wie dargestellt – ausgeschlossen.
Demnach sollten alle (selbständigen) Forstunternehmer entsprechende Vorsorge treffen für den Fall, dass sie bei gemeinsamen Baumfällarbeiten von einem Mitarbeiter des Betriebes des Auftraggebers verletzt werden. Hier sollte an den Abschluss einer privaten Unfallversicherung und auch einer Berufsunfähigkeitsversicherung gedacht werden.
Dr. jur. Marc Herzog, LL.M.
Rechtsanwalt