Fahrzeug, mit unzulässiger Abschalteinrichtung ist mangelhaft
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 möglicherweise zum „VW Abgasskandal“ angedeutet, dass nach seiner Auffassung ein Fahrzeug, welches bei Übergabe an den Käufer mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert mangelhaft i.S.v. § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist.
BGH deutet vorläufige Rechtsauffassung an
Ein Verhandlungstermin zu einem Verfahren der einen Wagen zum „VW Abgasskandal“ betraf, nämlich einen VW Tiguan 2.0 TDI und der für den 27. Februar 2019 angesetzt war, wurde nach einer Pressemitteilung des BGH vom 22.02.2019 aufgehoben, da der Kläger die Revision unter Hinweis darauf, dass sich die Parteien verglichen haben, zurückgenommen hat.
Vorausgegangen war ein umfangreicher Hinweisbeschluss des Senats vom 8. Januar 2019.
Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 – Az. VIII ZR 225/17
In diesem Beschluss hat der Senat die Parteien auf seine vorläufige Rechtsauffassung hinwiesen, dass bei einem Fahrzeug, welches bei Übergabe an den Käufer mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, vom Vorliegen eines Sachmangels auszugehen sein dürfte (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB), weil die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde besteht und es damit an der Eignung der Sache für die gewöhnliche Verwendung (Nutzung im Straßenverkehr) fehlen dürfte.
Zudem hat der Senat die Parteien auf seine vorläufige Einschätzung hingewiesen, dass die Auffassung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft sein könnte, die vom Käufer gemäß § 439 I Alt. 2 BGB geforderte Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs sei unmöglich (§ 275 I BGB), weil der Kläger ein Fahrzeug der ersten Generation der betreffenden Serie (hier: VW Tiguan 2.0 TDI) erworben habe, diese aber nicht mehr hergestellt werde und ein solches Modell auch nicht mehr beschafft werden könne. Denn im Hinblick auf den Inhalt der vom Verkäufer vertraglich übernommenen Beschaffungspflicht dürfte – anders als das Berufungsgericht gemeint hat – ein mit einem nachträglichen Modellwechsel einhergehender mehr oder weniger großer Änderungsumfang für die Interessenlage des Verkäufers in der Regel ohne Belang sein. Vielmehr dürfte es – nicht anders als sei das betreffende Modell noch lieferbar – im Wesentlichen auf die Höhe der Ersatzbeschaffungskosten ankommen.
Dies führt jedoch nicht zur Unmöglichkeit der Leistung gemäß § 275 I BGB; vielmehr kann der Verkäufer eine Ersatzlieferung gegebenenfalls unter den im Einzelfall festzustellenden Voraussetzungen des § 439 Abs. 4 BGB verweigern, sofern die Ersatzlieferung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.
Entscheidung im Volltext
Der Hinweisbeschluss lautet im Volltext (Quelle/Zitat aus: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2019&nr=92892&linked=bes&Blank=1&file=dokument.pdf)
„BGB § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2; Verordnung (EG) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5
Abs. 2; FZV § 5 Abs. 1
a) Ein Fahrzeug ist nicht frei von Sachmängeln, wenn bei Übergabe an den Käufer
eine – den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduzierende – Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10
VO 715/2007/EG installiert ist, die gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG
unzulässig ist.
b) Dies hat zur Folge, dass dem Fahrzeug die Eignung für die gewöhnliche Verwendung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB fehlt, weil die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige
Behörde (§ 5 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung – FZV) besteht und somit
bei Gefahrübergang der weitere (ungestörte) Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr nicht gewährleistet ist.
BGB § 275 Abs. 1, § 439 Abs. 1 Alt. 2
a) Ob eine gemäß § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB begehrte Ersatzlieferung einer
mangelfreien Sache nach Maßgabe des § 275 Abs. 1 BGB unmöglich ist, hängt
nicht von der Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungskauf, sondern vom
Inhalt und der Reichweite der vom Verkäufer vertraglich übernommenen
Beschaffungspflicht ab (Bestätigung von BGH, Urteile vom 7. Juni 2006 – VIII ZR
209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 20; vom 17. Oktober 2018 – VIII ZR 212/17, NJW 2019,
80 Rn. 20 [zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt]).“
Vorinstanzen:
Landgericht Bayreuth – 21 O 34/16 – Entscheidung vom 20. Dezember 2016
Oberlandesgericht Bamberg – 6 U 5/17 – Entscheidung vom 20. September 2017
Fundstelle/Zitat:
Pressemitteilung des BGH Nr. 22 vom 22.02.2019 und http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2019&nr=92892&linked=bes&Blank=1&file=dokument.pdf)
Kontaktieren Sie unsere Anwälte!