BVerfG: Bezeichnung von Gabriele Pauli als «durchgeknallte Frau» durch «bild.de» war ehrverletzend
Die ehemalige Landrätin und CSU-Landtagsabgeordnete Gabriele Pauli hat sich vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen ihre Bezeichnung als «durchgeknallte Frau» in einem Beitrag auf «bild.de» gewehrt. Je nach Kontext könne diese Bezeichnung eine ehrverletzende Äußerung sein, die nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt sei, so das BVerfG. Dies sei hier der Fall gewesen (Beschluss vom 11.12.2013, Az.: 1 BvR 194/13).
«Bild.de»-Beitrag bezeichnet Pauli als «durchgeknallte Frau»
Die ehemalige Landrätin Gabriele Pauli war bis September 2013 Mitglied des Bayerischen Landtags. Ende 2006 posierte sie für ein Gesellschaftsmagazin, das die Fotostrecke in einer ihrer Ausgaben veröffentlichte. Dies nahm «bild.de» zum Anlass, einen Text zu veröffentlichen, der unter anderem die folgende Passage enthält: «Ich sage es Ihnen: Sie sind die frustrierteste Frau, die ich kenne. Ihre Hormone sind dermaßen durcheinander, dass Sie nicht mehr wissen, wer was ist. Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft. Sie sind eine durchgeknallte Frau, aber schieben Sie Ihren Zustand nicht auf uns Männer.» Pauli sah sich dadurch in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Sie verlangte von «bild.de» verschiedene Einzeläußerungen zu unterlassen, unter anderem die Bezeichnung als «durchgeknallte Frau», sowie eine angemessene Geldentschädigung. Das OLG als Berufungsinstanz wies die Klage ab. Anschließend legte Pauli Verfassungsbeschwerde ein.
BVerfG: Bezeichnung als «durchgeknallte Frau» verletzt Pauli in ihrem Persönlichkeitsrecht
Die Verfassungsbeschwerde war teilweise erfolgreich. Die OLG-Entscheidung verletze die Beschwerdeführerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, da sich deren Bezeichnung als «durchgeknallte Frau» nicht mehr im fachgerichtlichen Wertungsrahmen halte. Das BVerfG hat das Urteil insoweit aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Es moniert, dass das OLG dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin im Rahmen der Abwägung mit der Meinungsfreiheit der Beklagten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu wenig Gewicht beigemessen habe. Das OLG übersehe, dass die persönliche Ehre in Art. 5 Abs. 2 GG ausdrücklich als Schranke genannt werde.
Rein spekulative Behauptungen über Persönlichkeitskern als Privatperson
Wenn die Beschwerdeführerin von der Beklagten die Unterlassung der Äußerung fordere, sie sei eine «durchgeknallte Frau», so wende sie sich gegen diese Äußerung als Zusammenfassung des vorangegangenen Absatzes. Hierin verschiebe die Beklagte die öffentliche Auseinandersetzung um die Person der Beschwerdeführerin hin zu rein spekulativen Behauptungen über den Kern ihrer Persönlichkeit als Privatperson, so das BVerfG. Sie stütze diese Spekulationen auf Beurteilungen, die thematisch den innersten Intimbereich betreffen, ohne dass sie irgendeinen Tatsachenkern hätten. Sie knüpften zwar an das Verhalten der Beschwerdeführerin an, die für ein Gesellschaftsmagazin posiert und eine Serie von Fotos von sich habe fertigen lassen. Daher müsse sich die Beschwerdeführerin eine Auseinandersetzung hiermit auch gefallen lassen. So bleibe es der Beklagten unbenommen, sich – auch zugespitzt und polemisch – zu dem Verhalten der Beschwerdeführerin zu äußern.
Absichtliche Diskreditierung auch als Privatperson
Laut BVerfG haben jedoch die Folgerungen der Beklagten, die sie mit den Worten «durchgeknallte Frau» zusammenfasse, als solche keinerlei Anknüpfungspunkt in dem Verhalten der Beschwerdeführerin. Die Beklagte ziele hier vielmehr bewusst darauf, die Beschwerdeführerin nicht nur als öffentliche Person und wegen ihres Verhaltens zu diskreditieren, sondern ihr provokativ und absichtlich verletzend jeden Achtungsanspruch gerade schon als private Person abzusprechen. Angesichts dessen könne sich die Meinungsfreiheit nicht durchsetzen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um einen bewusst geschriebenen und als Verletzung gewollten Text handelt, der nicht Ausdruck einer spontanen Äußerung im Zusammenhang einer emotionalen Auseinandersetzung sei.