Haftung des Reiseveranstalters bei „Rail & Fly-Ticket“
(Urteil BGH, abgedruckt in NJW 2011, 371f.)
Sachverhalt:
Meiers Weltreisen warb in seinem Katalog und in den Reiseunterlagen mit folgendem Slogan:
„Starten Sie entspannt in den Urlaub (…) Kein Stress und kein Stau mit dem Meier`sWeltreisen Rail &Fly-Ticket 2.Klasse der Deutschen Bahn AG zum Flughafen bereits im Preis enthalten! (…) Bitte wählen Sie Ihre Verbindung möglichst so, dass Sie
den Abflughafen spätestens zwei Stunden vor Abflug erreichen. (…)“
Der Kläger buchte bei Meier`s Weltreisen einen Karibikurlaub in die Dominikanische
Republik. Der Hinflug von Düsseldorf sollte am 19.06.2007 um 11:15 Uhr erfolgen. Für die Fahrt zum Flughafen nutzte der Kläger das angebotene „Rail&Fly-Ticket“. Er wählte dabei einen Zug aus, der planmäßig um 09:08 Uhr am Flughafen Düsseldorf ankommen sollte. Aufgrund einer Zugverspätung erreichte er den Flughafen erst um 11:45 Uhr und verpasste den Hinflug für die gebuchte Reise.
Nach Rücksprache mit dem Veranstalter reiste der Kläger mit der Bahn nach München,
übernachtete dort im Hotel und flog am 20.06.2007 von München aus in die Dominikanische Republik zu seinem Urlaubsziel.
Der Veranstalter berechnete den Reisepreis daraufhin neu und belastete die
Kreditkarte des Klägers mit den Zusatzkosten in Höhe von 1030,00 Euro. Dieser Betrag wurde dem Konto des Veranstalters gutgeschrieben.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Rückzahlung dieser Zusatzkosten, sowie
Ersatz der durch die geänderte Anreise enstandenen Mehrkosten in Höhe von 218,00 Euro (Übernachtung Hotel, Taxi und Verpflegung).
Kernproblem der Entscheidung des BGH
Kernproblem der Entscheidung war es festzustellen, welchen Umfang die vom Veranstalter organisierte Karibikreise hatte, insbesondere ob es sich bei der Bahnfahrt zum Flughafen um eine vom Veranstalter geschuldete Reiseleistung handelte.
Rechtliche Würdigung
Der BGH bejahte einen Anspruch des Klägers bezüglich der Mehrkosten in Höhe von
1030 Euro aus § 812 I 1 2. Alt. BGB.
Der Reiseveranstalter hat zunächst durch die gutgeschriebenen 1030,00 Euro einen
Auszahlungsanspruch gegen die kontoführende Bank erhalten.
Die Leistung erfolgte hier in sonstiger Weise, da der Kläger mit der Belastung der
durch den Flugausfall entstandenen Mehrkosten nicht einverstanden war. Eine Leistung seinerseits an den Veranstalter in Form einer bewussten zweckgerichteten Vermögensvermehrung hat nicht stattgefunden.
Die Belastung der Kreditkarte und der damit begründete Auszahlungsanspruch gegen
die Bank ist zudem ohne Rechtsgrund erfolgt. Bei der genannten Umbuchung des
Fluges handelte es sich nämlich um eine Abhilfemaßnahme im Sinne von § 651 c II
BGB.
An dieser Stelle erörterte der BGH das Kernproblem der Entscheidung.
Zunächst stellte er klar, dass es sich bei der gebuchten Karibikreise um einen
Reisevertrag im Sinne von § 651a I BGB handelt. Die gebuchte Reise bestand aus einer Mehrheit von Reiseleistungen (Flug und Unterbringung im Hotel am Urlaubsort).
Die Bahnverspätung stellte auch einen Reisemangel nach § 651 c I BGB dar.
Entscheidend hierbei war aber nicht, dass der Kläger selbst zu spät zum Flughafen in
Düsseldorf kam, sondern dass der BGH bereits die Anreise mit dem „Rail&Fly–Ticket“ als Reiseleistung des Veranstalters wertete und dieser für die Verspätung selbst haftet.
Der BGH unterscheidet in ständiger Rechtsprechung zwischen der Vermittlung von
Reiseleistungen und der Erbringung von Reiseleistungen in eigener Verantwortung.
Erbringt der Veranstalter eine eigene Reiseleistung haftet er auch für etwaige Mängel.
Ist er dagegen lediglich Vermittler von Reiseleistungen schließt dies eine Haftung aus.
Welche Art von Tätigkeit vorliegt, hängt entscheidend davon ab, wie sich die
Vertragsparteien gegenüberstehen, insbesondere wie das Reiseunternehmen aus der
Sicht des Reisenden auftritt.
Ist aus Sicht des Reisenden die Reiseleistung im Organisations- und Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters so wird dieser gem. §651 a II BGB Vertragspartner. Ob ein Reiseveranstalter durch sein Gesamtverhalten bezüglich
der Reiseleistung den Anschein einer Eigenleistung begründet hat, ist anhand
der Umstände des Einzelfalles zu verurteilen. Nach der Rechtssprechung des BGH
sind Gegenstand der Reisevertrages daher alle Leistungen, die der Veranstalter
nach einem vorher festgelegten und ausgeschriebenen Reiseprogramm anbietet.
Bei Pauschalreisen ist zur Bestimmung der Leistungsverpflichtung des Veranstalters
neben der Reisevertragsbestätigung auch der von diesem herausgegebene Prospekt heranzuziehen, in welchem sich detaillierte Angaben über die Gestaltung und die Leistungen des Veranstalters befinden. Dieser ist Vertragsgrundlage in Form der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (BGH in NJW 2000, 118,1189).
Das Bahnticket Rail&Fly war im Reisepreis enthalten. Es kann daher als Indiz dafür gewertet werden, dass der Veranstalter den Bahntransfer als eigene Reiseleistung angeboten hat.
Sowohl in der Buchungsbestätigung als auch im Reisekatalog wird ausgeführt, dass der
Anreiseservice der Beklagten mit dem „Rail&Fly-Ticket“ in Reisepreis enthalten ist. Aber auch aus der Bezeichnung als „Rail&Fly-Ticket“ ergibt sich, dass der Veranstalter für den Erfolg der Leistung verantwortlich ist. Der Veranstalter wirbt damit, dass die Buchung eines solchen Tickets einen entspannten Start in den Urlaub ermöglich.
Aus diese Umständen ergibt sich folglich, dass es sich hierbei um eine eigene
Reiseleistung des Veranstalters handelt.
Die eigene Zugauswahl steht einer Reiseleistung des Veranstalters auch nicht
entgegen. Die Argumentation, dass durch die Organisation der Anreise in der
Hand des Reisenden ein unkalkulierbares Risiko für den Veranstalter besteht und
dieses Risiko gerade nicht mehr vom Veranstalter gesteuert werden kann ließen
die Richter nicht durchgehen.
Nach Ansicht der Richter war aufgrund der detaillierten Hinweise auf die Vorzüge der
bequemen Anreise mittels Bahn durch den Veranstalter hingewiesen worden. Dies
deutet für einen durchschnittlichen Kunden darauf hin, dass der Veranstalter
für bei sorgfältiger Wahl der Zugverbindung dennoch eintretende, von der
Deutschen Bahn AG zu verantwortenden Verspätungen trotzdem einstehen wollte.
Die Einstandspflicht eines Reiseveranstalters hängt alleine davon ab, ober eine von
Dritten ausgeführte Reiseleistung als eigene anbietet oder nicht. Der Umstand,
dass der Veranstalter auf die Pünktlichkeit der Züge der Deutschen DB AG keinen
Einfluss hat, ist hier nicht entscheidend.
Da die Deutsche Bahn AG daher als Leistungsträger für den Reiseveranstalter
gehandelt hat, stellt die Zugverspätung einen Reisemangel im Sinne von §651 c I
BGB dar. Bezüglich der Tatsache, dass die Umbuchung der Reise verhältnismäßig im Sinne von § 651 II 2 BGB ist, wäre der Veranstalter, da es sich hierbei um eine für ihn günstige Tatsache handelt, beweispflichtig.
Hinweise für eine Präklusion oder Verjährung im Sinne von §651 g I, II BGB lagen nicht
vor.
Einen Anspruch auf Erstattung der Kosten in Höhe von 218 Euro bejahte der BGH aus §
651 c III S.1 BGB.
Da der Bahntransfer mittels „Rail&Fly-Ticket“ zum Leistungsumfang des
Pauschalreisevertrages gehörte, schuldete der Veranstalter Ersatz für alle
Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der von ihr geschuldeten Abhilfe entstanden
sind. Eine Fristsetzung war schon deshalb entbehrlich, weil die Umbuchung nach
Rücksprache mit dem Veranstalter erfolgte.
Jürgen Liebhart
Rechtsreferendar
für Dr. Herzog Rechtsanwälte
www.drherzog.de