Polizeiliche Messverfahren: Leivtec XV 3
Stellungnahme der VUT Sachverständigen GmbH vom 20.02.2015 zum Messverfahren Leivtec XV 3:
Mit Ablauf des Jahres 2014 endet auch die bisherige Zulassungspraxis von Messgeräten, welche mit dem Zulassungsschein der Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig und Berlin abschließt. Erwartungsgemäß ist es zum 30.12.2014 noch zu einer Fülle von Zulassungsänderungen gekommen. Der 1. Nachtrag zur 1. Neufassung der Anlage zur Zulassung des XV 3 Leivtec Geschwindigkeitsmessgerätes hat die VUT Sachverständigengesellschaft mbH & Co. KG veranlasst, die beigefügte Stellungnahme zu verfassen. Mit diesem Nachtrag bestätigt die PTB nach Auffassung der VUT Sachverständigengesellschaft mbH & Co. KG zwei Feststellungen in den VUT-Gutachten zu XV 3:
- Die von Sachverständigen in Gerichtsgutachen häufig eingesetzte Auswertesoftware „SpeedCheck-Gutachter“ verfügt nicht über eine Zulassung der PTB.
- Die Richtigkeit der Werte, die zur Plausibilitätsprüfung dabei geliefert werden, kann nicht bestätigt werden.
Die in den Gutachten der VUT Sachverständigengesellschaft mbH & Co. KG regelmäßig durchgeführte Rohmessdatenauswertung dürfte damit die einzige herstellerunabhängige Prüfung des Messwertes darstellen.
Die Stellungnahme lautet:
„Leivtec XV 3 – und die VUT hat doch Recht!
Stand: 19.02.2015
VUT Sachverständigen GmbH & Co. KG
Das Geschwindigkeitsmessgerät Leivtec XV3 wurde unter dem Zulassungszeichen 18.11/09.04
und dem Geschäftszeichen PTB-1.32-4037148 am 02.07.2009 erstmals als Geschwindigkeitsmessgerät zugelassen.
Zur Messwertbildung ist hier folgendermaßen angegeben:
„Die Geschwindigkeit von Fahrzeugen, die sich auf den Sensor zu bewegen, wird als Änderung
der Entfernung mit der Zeit bestimmt. Zur Ermittlung der Entfernung zwischen dem Gerät und
einem Fahrzeug wird die Laufzeit von Infrarot-Laserimpulsen gemessen, die vom Sensor ausgesendet und nach ihrer Reflexion an dem anvisierten Fahrzeug wieder empfangen werden.
Der Sensor sendet ständig Laserimpulse aus. Ein Geschwindigkeitsmessvorgang wird gestartet, sobald ein ankommendes Fahrzeug in ca. 50 m erkannt wird. Die Messung endet, wenn
das Fahrzeug aus dem Messfeld ausgefahren ist, spätestens bei der Unterschreitung einer
Entfernung von 30 m. Für die Ermittlung der Geschwindigkeit ist eine Fahrstrecke von mindestens 8 m mit gleichmäßiger Geschwindigkeit erforderlich. Anderenfalls wird die Messung annulliert. Wird bei langsamen Fahrzeugen die Mindeststrecke von 8 m nach 1,5 s nicht erreicht,
wird die Messung beendet. In diesem Fall ist auch eine kürzere Messstrecke zur Ermittlung
der Geschwindigkeit ausreichend.“
(Quelle: Innerstaatliche Bauartzulassung der Anlage vom 02.07.2009)
Nach Gebrauchsanweisung und Zulassung sind Zuordnungskriterien beschrieben, nach welchen
der Messwert unter bestimmten Voraussetzungen einem bestimmten Fahrzeug zuzuordnen ist.
Eine Überprüfung des Messwertes ist nicht vorgesehen.
Somit lässt sich nur die Einhaltung der Nutzungsbestimmungen prüfen.
Nach anhaltender Kritik und Forderungen aus Sachverständigenkreisen tauchte im Jahr 2013 eine
Auswertesoftware mit Namen „SpeedCheck Gutachter“ auf. Da diese Software nicht über eine Zulassung der PTB verfügt, wurde hierzu in den Gutachten der VUT vermerkt:
„Seit Anfang 2013 wird gelegentlich mit der Auswertesoftware „SpeedCheck Gutachter“ argumentiert. Diese Auswertesoftware ist weder auf der offiziellen Produktliste des Herstellers zu
finden, noch ist diese bei der PTB als geprüfte und zugelassene Auswertesoftware aufgelistet.
Angeblich liefert die Software Entfernungsangaben zu Aufzeichnungsbeginn und -ende, Messbeginn und -ende aber auch zur Messzeit zwischen Messbeginn und -ende.
Ohne Prüfung und Beschreibung durch die PTB ist aber nicht nachvollziehbar, ob die neu zur
Verfügung gestellten Zeit- und Wegstreckeninformationen durch getrennte Messungen während der einzelnen Messung eines Fahrzeuges festgestellt und von Anfang an mit abgespeichert wurden.
War dies der Fall, so ist nicht nachvollziehbar, warum diese Daten erst jetzt zur Verfügung gestellt werden.
War dies nicht der Fall, so ist nicht nachvollziehbar, wo diese Informationen herkommen sollen, da die Zulassung seit 27.05.2011 nicht mehr geändert worden ist.“
Im Zuge eigener Untersuchungen ist es den Sachverständigen der VUT Informatik gelungen, Einblick in die Messdatei zu nehmen. Die daraus gewonnenen ersten Erkenntnisse wurden in der
VRR 12/2014 von Dipl. Ing. Ralf Schäfer und dem Informatiker Stefan Lorenz, M.Sc. veröffentlicht.
Demnach ist der Ablauf der Geschwindigkeitsmessung durch die Auswertung der bis zu 150 Entfernungs-/Laufzeitergebnisse nachzuvollziehen und der Messwert zu prüfen.
Die bisherigen Auswertungen einzelner Messdateien widerlegen die Mitteilung des Herstellers,
dass es sich hierbei um Simulationsdaten handelt, da Besonderheiten aus dem Beweisbild (z.B.
zwei Fahrzeuge) exakt an den vorliegenden Messdaten nachvollzogen werden können.
Bei Vorliegen der Messdatei ist die VUT damit in der Lage, den korrekten Messwert nachzu vollziehen, bzw. Hinweise auf Unregelmäßigkeiten zu bewerten. XV3-Messungen stellen damit keine Black-Box-Ergebnisse mehr dar.
Mit Ablauf des Jahres 2014 läuft die bisherige Zulassungspraxis von Messgeräten aus. Die PTB
wird neue Messgeräte nicht mehr prüfen und zulassen. Daher kann es nicht überraschen, dass mit
Datum vom 30.12.2014 noch eine rege Zulassungstätigkeit der PTB zu verzeichnen ist. Dies betrifft auch das Messgerät XV 3, welches zur 1. Neufassung der Anlage zur Zulassung vom
27.05.2011 mit Datum vom 30.12.2014 den 1. Nachtrag zur 1. Neufassung der Anlage erhalten
hat.
Hier wird zunächst die Programmversion 2.0 der Rechnereinheit zugelassen, die sich insbesondere „durch einen höheren Bedienkomfort“ auszeichnet. „Auf Wunsch des Zulassungsinhabers“ ist im Rahmen der nächsten Eichung jeweils auf die Programmversion 2.0 umzurüsten. Wir dürfen gespannt sein, ob die Rohmessdaten einer Messung dann noch auffindbar sind oder ob sie
wie bei ESO dem Zugriff durch den Sachverständigen und damit auch der Verteidigung entzogen werden.
Mit dem Einsatz der Programmversion 2.0 der Rechnereinheit gilt die neu zugelassene Gebrauchsanweisung „Leivtec XV 3 – Geschwindigkeitsüberwachungsgerät“ mit Stand vom
01.12.2014.
Darüber hinaus wurde auch ein neues Referenz-Auswerteprogramm zugelassen.
„Mit Inkrafttreten dieses Nachtrags wird das neue Referenz-Auswerteprogramm Speed Check
Version 2.0 zusätzlich zur Version 1.1 zugelassen. Das neue Referenz – Auswerteprogramm
unterscheidet sich von der weiterhin gültigen Vorgängerversion insbesondere durch einen erhöhten Bedienkomfort. Weiterhin hinzugekommen ist eine Funktion zur Plausibilitätsberechnung anhand von Zusatzdaten.
Die Richtigkeit der Plausibilitätsprüfung ist nicht Gegenstand dieser Zulassung.“
(Hervorhebung nachträglich eingefügt, Quelle: 1. Nachtrag zur 1. Neufassung der Anlage vom 30.12.2014)
Die Funktion der Auswertesoftware „Speed Check Gutachter“ ist jetzt wohl in der neuen Auswertesoftware 2.0 aufgegangen. Wie schon in den Gutachten der VUT Sachverständigen seit 2013 nachzulesen, werden zwar Werte geliefert, mit denen jetzt eine Plausibilitätsprüfung zugelassen wird. Aber selbst die PTB weigert sich, die Richtigkeit dieser Plausibilitätsprüfung zu bestätigen. Wie darf dann ein Sachverständiger mit diesen Informationen arbeiten? Wie darf das entscheidende Gericht sich dann auf diese Information verlassen?“
(Zitat nach der Stellungnahme vom 19.02.2015)
Hier finden Sie die Stellungnahme der VUT Sachverständigengesellschaft mbH & Co. KG auch nochaml als PDF-Download: LEIVTEC-XV3 Stellungnahme VUT 2015-02-19 Leivtec XV3.