LG Karlsruhe zum Mietwagen bei Unfall: Unfallgeschädigter muss sich bei Mietwagen nicht nach günstigeren Tarifen erkundigen
Dauerstreit: Unfall und Mietwagen
Das Landgericht Karlsruhe hat sich in einem Urteil mit verschiedenen Fragen rund um Mietwagenpreise bei einem Unfall beschäftigt. Es hat entschieden, dass die von Haftpflichtversicherern vorgelegten Screenshots von angeblich günstigeren Mietwagenpreisen nicht genügen, um eine Beweisbedürftigkeit der Schätzungsgrundlage nach § 287 ZPO auszulösen. Auch seien Geschädigte, ähnlich wie in den Fällen überhöhter Preise für die Ölspurreinigung auf Fahrbahnen, in aller Regel überfordert, wenn ihnen über § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Aufgabe zugedacht werde, ein Marktversagen in der Preisbildung für Mietwagen zu korrigieren. Bei der Schätzung des Normaltarifs gemäß § 287 ZPO könne auf das arithmetische Mittel der sich aus dem gewichteten Mittel/Modus des jeweiligen Schwacke-Mietpreisspiegels einerseits und der zeitlich einschlägigen Fraunhofer-Liste andererseits ergebenden Werte abgestellt werden.
LG Karlsruhe, Urteil vom 14.01.2014 – 9 S 396/12 (AG Karlsruhe), BeckRS 2014, 01999
Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München
Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 4/2014 vom 13.02.2014
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Sachverhalt
Im Streit sind restliche Mietwagenkosten, die die Klägerin als Geschädigte nach einem Verkehrsunfall begehrt. Das Amtsgericht hatte den Klageanträgen in Höhe von 757,41 EUR entsprochen und der Schätzung gemäß § 287ZPO den Mittelwert zwischen Schwacke- und Fraunhofer-Liste zugrunde gelegt. Die Beklagte hat Berufung eingelegt und verfolgt den erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. In der Berufung macht sie geltend, dass sie Screenshots vorgelegt habe mit günstigeren Mietwagenpreisen. Außerdem habe sie Sachverständigenbeweis angeboten, dem das Amtsgericht nicht gefolgt sei.
Rechtliche Wertung
Mit der Berufung hat die Beklagte keinen Erfolg, es verbleibt somit beim amtsgerichtlichen Urteil. Das Berufungsgericht erholte ein Sachverständigengutachten, in dem festgestellt wurde, dass die vorgelegten Unterlagen keine geeigneten Anknüpfungspunkte für eine Schätzgrundlage seien. Es sei nicht möglich gewesen, die Internetausdrucke der Beklagten auf tatsächliche Verfügbarkeit der Mietwagen zum damaligen Zeitpunkt zu überprüfen.
Der Sachverständige habe eine eigenständige Markterhebung durchgeführt. Seine Erkenntnismöglichkeiten seien aber nicht, wie er selbst einräume, den Methoden überlegen, auf deren Grundlage Fraunhofer und Schwacke ihre Listen erstellen. Er habe auch gegenüber diesen beiden Mietpreislisten kleinere Stichproben machen müssen. Darüber hinaus verweist der Sachverständige darauf, dass die Preisgestaltung – auch kurzfristig – stark schwanke.
Das Berufungsgericht führt dazu aus, dass damit die Behauptung der Beklagten einer belastbaren Tatsachengrundlage entbehre. Darüber hinaus seien die Screenshots insoweit nicht vollständig, als Angaben zur Kaskoversicherung mit einer eventuell höheren Selbstbeteiligung darin nicht enthalten seien.
Dazu komme, dass die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, Preise vergleichbarer Ersatzfahrzeuge auf dem örtlich relevanten Markt zu kontrollieren. Die Kammer lässt eigene Erfahrungen einfließen, wonach Mietwagenunternehmen Normaltarife regelmäßig überhaupt nur dann anbieten, wenn sie nicht wissen, dass der Anfragende unverschuldet in einen Unfall verwickelt war. Der Sachverständige habe angegeben, dass er gezwungen gewesen sei, bei seinen Anfragen einen regulären Werkstattaufenthalt seines eigenen Wagens zu behaupten.
Das Gericht ist der Auffassung, dass ein Geschädigte in aller Regel überfordert ist, wenn ihm die Aufgabe zugedacht wird ein Marktversagen zu korrigieren. Der Geschädigte müsse zunächst einmal überhaupt wissen, dass bei der Anmietung «Fallstricke» aufgebaut würden, und dann verlange man von ihm, dass er plausibel klingende Begründungen für die abverlangten Preise noch zu hinterfragen und zu vergleichen habe.
Praxishinweis
Das Berufungsurteil setzt sich mit der Rechtsprechung des BGH eingehend auseinander, die die Kammer nicht kritiklos übernimmt, soweit vom BGH gefordert wird, dass der Geschädigte nur dann auf die Unzugänglichkeit des Normaltarifs verwiesen wird, wenn er sich nach einem günstigeren Tarif erkundigt hat. Diese Erkundigung nach einem günstigeren Tarif – auch bei Konkurrenzunternehmen – erscheine von vorne herein untauglich, wenn die Tatsache eines unverschuldeten Verkehrsunfalls offenbart werde. Dem Geschädigten sei es aber nicht zuzumuten, bei telefonischer oder persönlicher Nachfrage bewusst Falschangaben zu machen, um Auskünfte über einen Normaltarif zu erhalten.
Insgesamt zeigt die sehr eingehend und sorgfältige Begründung dieses Berufungsurteils, dass es noch genügend Streitpunkte über Mietwagenersatztarife gibt.