Zum Umtausch einer EU-Fahrerlaubnis in Österreich:
Umtausch einer EU-Fahrerlaubnis ist keine Neuerteilung einer EU-Fahrerlaubnis
Wer durch einen „Umtausch“ einer EU-Fahrerlaubnis in einem EU-Mitgliedsstaat (hier: Österreich) eine (neue) EU-Fahrerlaubnis des umtauschenden EU-Mitgliedsstaates erworben hat, ist mit dieser – trotz des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung von EU-Fahrerlaubnissen – nicht zum Führen fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge berechtigt, wenn bei einem „Umtausch“ vom ausstellenden EU-Mitgliedsstaat keine eigenständige Überprüfung der Fahreignung erfolgt ist.
Der „Umtausch“ ist also nicht zwingend eine „Neuerteilung“ einer (EU-)Fahrerlaubnis!
Sachverhalt:
Beamte der Verkehrspolizei kontrollierten den Antragsteller im Rahmen einer Verkehrskontrolle. Dabei zeigte dieser einen am 23.05.2014 ausgestellten österreichischen Führerschein der Fahrerlaubnisklassen AM, A und B vor. In Spalte 10 der Führerscheinkarte ist jeweils das Datum 21. Januar 2009 und unter Nummer 12 ist 70CZ995733 eingetragen.
Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte der Fahrerlaubnisbehörde in Folge dann mitgeteilt, dass für den Antragsteller 13 Eintragungen im Fahreignungsregister gespeichert seien. Es handele sich dabei u. a. um zwei Vergehen der Trunkenheit im Verkehr vom 8. Juni 1991 und 5. Februar 1992, sowie um mehrere Fälle des Fahrens ohne Fahrerlaubnis vom 21. Januar 1994, 18. Dezember 1994 (in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und unerlaubten Entfernens vom Unfallort), 30. Juli 1995 (in Tateinheit mit vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung infolge Alkoholgenusses), 14. April 1996, 8. März 2001, 5. September 2006, 23. Februar 2010 und 4. März 2011 und um eine Urkundenfälschung vom 4. März 2011, die zu einer Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis von 18 Monaten geführt habe. Zudem sei dem Antragsteller mit Bescheid vom 23. September 2003, bestandskräftig seit 26. Oktober 2004 die Erteilung einer Fahrerlaubnis wegen der Neigung zur Trunksucht versagt worden. Mit seit 25.06.2013 bestandskräftigem Bescheid sei ihm das Recht aberkannt worden, von seiner am 21. Januar 2009 in Tschechien erteilten Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.
Bescheid vom 7. September 2015 fest, dass der Antragsteller nicht berechtigt sei, mit dem o.g. österreichischen Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen. Der Antragsteller wurde unter Androhung eines Zwangsgeldes aufgefordert, den Führerschein spätestens innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids zur „Entwertung“ durch Aufbringen eines Sperrvermerkes bei der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen. Es wurde die z.T. sofortige Vollziehung des Bescheids angeordnet.
Gegen den Bescheid erhob der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth. Einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss abgelehnt. Es sei rechtskräftig festgestellt, dass der Antragsteller von seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet keinen Gebrauch machen dürfe, da die Wohnsitzvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Der Umtausch in einen österreichischen Führerschein ändere daran nichts. Ob der Antragsteller zum Zeitpunkt des Umtauschs in Österreich einen Wohnsitz gehabt habe, sei daher unerheblich.
Gegen diese Ablehnung wendete sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde zum VGH München.
Der Antragsteller machte geltend, die Fahrerlaubnisbehörde sei den Anforderungen an die Begründung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO nicht ausreichend nachgekommen. Im Übrigen sei der österreichische Führerschein in Deutschland gültig, da bei dessen Ausstellung kein Wohnsitzverstoß vorgelegen habe. Er habe damals einen ordnungsgemäßen Wohnsitz in Österreich inne gehabt. Es handele sich bei dem Umtausch um die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis, die anerkannt werden müsse. In der Interessenabwägung müsse berücksichtigt werden, dass die österreichischen Behörden den Antragsteller als geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen hätten. Er sei 1995 letztmalig wegen Alkohols am Steuer verurteilt worden. Ohne Fahrerlaubnis verliere er seinen Arbeitsplatz. Dies stelle einen Eingriff in Art. 12 GG dar.
Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes
Der VGH München hat die zulässige Beschwerde als unbegründet verworfen.
Die Klage des Antragstellers wird nach Auffassung des BayVGH aller Erwartung nach keinen Erfolg haben. Demzufolge war die Beschwerde aufgrund der durchzuführenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache auch nicht von Erfolg gekrönt.
Der BayVGH führte hierzu aus, die Anordnung des Sofortvollzuges genüge den formellen Anforderungen:
„Nach § 80 Absatz 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (…). Vor diesem Hintergrund hat der Antragsgegner (…) das besondere Interesse am sofortigen Vollzug unter Bezug auf den Einzelfall hinreichend begründet. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Absatz 3 Satz 1 VwGO, sondern es wird eine eigenständige Interessenabwägung durchgeführt.
Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 18. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), (…) sind nach der Feststellung der fehlenden Fahrberechtigung ausländische Führerscheine unverzüglich der entscheidenden Behörde vorzulegen, damit ein entsprechender Sperrvermerk eingetragen werden kann. Die Klage gegen die Verpflichtung zur Vorlage des österreichischen Führerscheins wird voraussichtlich ohne Erfolg bleiben, denn der Antragsteller ist nicht berechtigt, mit diesem Führerschein Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr in der Bundesrepublik Deutschland zu führen.
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV dürfen Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 oder 2 FeV in der Bundesrepublik Deutschland haben, – vorbehaltlich der Einschränkungen nach § 28 Absätze 2 bis 4 FeV – im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Die Berechtigung gilt gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Bei fehlender Inlandsberechtigung kann die Behörde einen feststellenden Verwaltungsakt erlassen (§ 28 Abs. 4 Satz 2 FeV) und die Inlandsungültigkeit im Führerschein vermerken (§ 47 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 FeV).
Eine im Wege des Umtauschs in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat erworbene Fahrerlaubnis, die auf der Grundlage einer von einem anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaat unter Nichtbeachtung der Wohnsitzvoraussetzung erteilten Fahrerlaubnis ausgestellt worden ist, berechtigt jedenfalls dann entsprechend § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland, wenn der umtauschende Mitgliedstaat die Fahreignung des Führerscheininhabers nicht überprüft hat (vgl.BayVGH, U. v. 13.3.2013 – 11 B 11.2798 – juris; B. v. 24.11.2014 – 11 ZB 14.1193 –VRS 127, 331). Dies gilt auch dann, wenn beim Umtausch selbst kein Wohnsitzverstoß vorliegt. Hierfür kommt es auch nicht darauf an, ob mit dem Umtausch eine neue materielle Berechtigung verliehen oder nur ein Ersatzpapier für den vorgelegten Führerschein ausgestellt und keine neue Fahrerlaubnis erteilt wird. In beiden Fällen ergibt sich aus dem Umtausch keine Berechtigung des Antragstellers, von seinem österreichischen Führerschein in Deutschland Gebrauch zu machen, da er von der dem Umtausch zugrunde liegenden tschechischen Fahrerlaubnis nach dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth (…) im Bundesgebiet wegen eines Wohnsitzverstoßes keinen Gebrauch machen darf. Dass bei dem Umtausch in Österreich die Fahreignung des Antragstellers überprüft wurde, hat er nicht vorgetragen. Er hat nur ausgeführt, bei Ausstellung des österreichischen Führerscheins sei die Vorlage seines Reisepasses, des tschechischen Führerscheins, eines Lichtbilds, eines Auszugs aus der Führerscheinkartei des Ausstellerstaates und einer Meldebestätigung verlangt worden. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht unter Bezug auf § 5 Abs. 7 des österreichischen Führerscheingesetzes (FG) ausgeführt, dass in Österreich keine Fahrprüfung und keine Prüfung der Verkehrszuverlässigkeit stattgefunden habe, da der Umtauschcode 70CZ995733 in Nummer 12 des österreichischen Führerscheins eingetragen sei. Mit dieser Argumentation setzt sich die Beschwerde auch nicht ansatzweise auseinander.
(…)
Bis zur Tilgung der Alkoholtaten ist nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV zwingend ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass Taten verwertbar sind und dem Betreffenden vorgehalten werden können, solange sie im Fahreignungsregister noch nicht getilgt sind (…).“
Fundstelle:
BayVGH München, Beschluss vom 08.01.2016, Aktenzeichen 11 CS 15.2485
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Entscheidung vom 21.10.2015, Aktenzeichen B 1 S 15.707