Entzug der Fahrerlaubnis bei Ungeeignetheit wegen Cannabiskonsum
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV hat eine Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen, wenn sich der Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.
Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ist die Fahrerlaubnis insbesondere zu entziehen, wenn Mängel nach der Anlage 4 zur FeV vorliegen. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV).
Fahreignung und gelegentlicher Konsum von Cannabis
Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt Fahreignung bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis nur dann vor, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegen. Liegt eine gelegentliche Einnahme von Cannabis vor und begründen weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung, kann die Fahrerlaubnisbehörde nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen (VG Augsburg, Beschluss vom 23. Juli 2019 – Au 7 S 19.812 –, Rn. 68, juris).
Wann liegt gelegentlicher Konsum von Cannabis vor?
Gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 20 f.; BayVGH, U.v. 25.4.2017 – 11 BV 17.33 – DAR 2017, 417 = juris Rn. 17) vor, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen.
Keine Eigentherapie mit Cannabis z.B. zur Schmerzlinderung
Wer sich ohne ärztliche Verordnung selbst mit Cannabis zur Schmerzbehandlung z.B. eines Rückenleidens selbst therapiert, ist hierbei ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Entzug der Fahrerlaubnis bei Nichtvorlage eines geforderten Gutachtens
Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war und für die Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens kein ausreichender Grund bestand (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.).
Ärztliche Verordnung von Cannabis kann Eignung aber wieder begründen
Werden Cannabispräparate (z.B. getrocknete Cannabisblüten) ärztlich verordnet, kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Fahrerlaubnisinhaber (wieder) fahrgeeignet ist. Denn es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die durch vorherigen Cannabiskonsum bzw. durch die Fahrt unter Cannabiseinfluss nach 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV entstandenen Fahreignungszweifel durch eine ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis ausgeräumt werden können oder die ggf. entfallene Fahreignung dadurch wiederhergestellt ist.
Diese Frage ist von der Fahrerlaubnisbehörde auch regelmäßig im Entziehungsverfahren zu prüfen (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2019 – 11 B 18.2482 – juris Rn. 34; OVG Saarl, B.v. 3.9.2018 – 1 B 221/18 – Blutalkohol 55, 448, juris). Insoweit entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 21.1.2019 – 11 ZB 18.2066 – juris Rn. 24; B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – juris Rn. 20), dass im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren auch dem Betroffenen günstige Umstände zu berücksichtigen sind und daher die Wiedergewinnung der Fahreignung einer Entziehung der Fahrerlaubnis entgegensteht.
Bei hinreichenden Anhaltspunkten für eine mögliche Wiedergewinnung der Fahreignung sind von der Fahrerlaubnisbehörde auch entsprechende Aufklärungsmaßnahmen einzuleiten. Insoweit hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auch ausgeführt, dass zwar für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Gutachtensbeibringungsanordnung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Anordnung maßgeblich sei, was allerdings nicht bedeute, dass eine Beibringungsanordnung trotz Vorliegens neuer Erkenntnisse, die die ursprünglichen Zweifel (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV: „Tatsachen, die Bedenken begründen“) an der Fahrgeeignetheit des Betroffenen ausräumen, aufrechtzuerhalten sei (BayVGH, B.v. 24.3.2016 – 11 CS 16.260 – juris Rn. 13).
(VG Augsburg, Beschluss vom 23. Juli 2019 – Au 7 S 19.812 –, Rn. 73, juris)
Eine Cannabismedikation nach ärztlicher Verordnung und Kontrolle kann auch nach einer Fahrt in der Vergangenheit Anlass dazu geben, die Fahreignung anhand der für eine Dauerbehandlung mit betäubungsmittelhaltigen Arzneimitteln geltenden Spezialregelung in Nummer 9.6, 9.6.2 der Anlage 4 der FeV zu überprüfen (vgl. VGH BW, B.v. 31.1.2017 – 10 S 1503/16 – juris Rn. 6). Insoweit ist bei einer ärztlich verordneten Therapie mit Cannabis eine einzelfallorientierte Beurteilung der Fahreignung unter Würdigung der individuellen Aspekte erforderlich, die sowohl aus verkehrsmedizinischer Sicht die Erkrankung, ihre Symptome, die medikamentenspezifischen Auswirkungen und die ärztliche Überwachung der Medikamenteneinnahme erfasst, als auch aus verkehrspsychologischer Sicht die individuelle Leistungsfähigkeit, die Fähigkeit zur Kompensation von ggf. festgestellten Leistungseinschränkungen, die Compliance des Patienten gegenüber der Therapie, die Fähigkeit zur Risikoeinschätzung und auch die Gefahr der missbräuchlichen Einnahme überprüft (vgl. Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Auflage, Anhang „Fahreignungsbegutachtung bei Cannabismedikation“, S. 440/443 unter Hinweis auf VGH BW, B.v. 31.1.2017 – 10 S 1503/16 – juris Rn. 8 m.w.N.).
Hier sind die Adhärenz und Fähigkeit oder Bereitschaft zum verantwortlichen Umgang mit negativen Auswirkungen der Medikation und/oder der Grundsymptomatik zu klären (vgl. Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 3. Auflage, Anhang „Fahreignungsbegutachtung bei Cannabismedikation“, Ärztliches Gutachten oder MPU, S. 444).
Fazit: Umstieg auf medizinisches Cannabis kann Eignung wieder begründen
Mittlerweile gibt es schon einige Entscheidungen zu diesem Komplex.
Erfolgt die ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis erst nach einem Verstoß gegen das Trennungsgebot in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, hat die Fahrerlaubnisbehörde zu prüfen, ob durch die Verordnung die Fahreignungszweifel ausgeräumt sind (vgl. VGH München, Beschluss v. 29.04.2019 – 11 B 18.2482 – vorangegangen war ebenfalls eine Entscheidung des VG Augsburg, Urteil vom 27.08.2018 – Au 7 K 18.1090).
Wer nach einer illegalen Drogenfahrt mit Cannabis also auf ärztlich verordnetes Cannabis umsteigt, kann wieder als geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen werden!
Fragen Sie unsere Rechtsanwälte für Führerscheinrecht!
Fundstelle / Zitat / Quelle:
VG Augsburg, Beschluss vom 23. Juli 2019 – Au 7 S 19.812 –, Rn. 74, zitiert nach juris
VGH München, Beschluss v. 29.04.2019 – 11 B 18.2482 – vorangegangen VG Augsburg, Urteil vom 27.08.2018 – Au 7 K 18.1090
Sie haben Fragen zur Fahrerlaubnis / zum Führerschein und der ärztlich verordneten Therapie mit Cannabis?
Wir sind auch online und bundesweit für Sie erreichbar!
Lieber gleich zum Rechtsanwalt für Cannabisfragen
Es bietet sich daher an, schnellstmöglich nach der Tat oder einem Brief von der Verwaltungsbehörde einen Fachanwalt für Verkehrsrecht und Strafrecht zu konsultieren. Der Anwalt wird gemeinsam mit dem Mandanten die richtige Strategie ausarbeiten. Er kann dann oftmals den Entzug der Fahrerlaubnis vermeiden. Der Anwalt kennt aber auch kompetente, seriöse Beratungsstellen die dann gemeinsam mit dem motivierten Fahrerlaubnisinhaber etwaige Bedenken gegen die Fahreignung ausräumen können. Wir beraten Sie auch bei Fragen rund um das Thema „medizinisches Cannabis“.
Nehmen Sie gleich Kontakt mit uns auf!