
Geblitzt? Messung auf Kosten Ihrer Rechtsschutzversicherung überprüfen lassen: Was Sie wissen müssen!
Rechtsschutzversicherungen versuchen immer wieder, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen: Mal wird die Erstattung von Gutachterkosten auf pauschale Beträge begrenzt, mal wird nahegelegt, nur bestimmte „Vertragsgutachter“ oder „Vertragsanwälte“ zu beauftragen. Das Argument: Schadensminderungspflicht gemäß § 82 VVG.
Ein aktuelles Urteil des Landgerichts München I (Urt. v. 19.09.2025, Az. 25 O 13841/24) hat mit dieser Praxis aufgeräumt – mit wichtigen Konsequenzen für Betroffene im Bußgeldverfahren.
Sie haben das Recht auf einen Gutachter und Anwalt Ihrer Wahl
Wenn Sie rechtsschutzversichert sind, müssen Sie sich weder auf einen bestimmten Gutachter noch auf einen “Vertragsanwalt” der Versicherung verweisen lassen. Die sogenannte „freie Anwaltswahl“ ist gesetzlich garantiert (§ 127 VVG) – und sie gilt uneingeschränkt.
Was das für Sie bedeutet:
- Sie dürfen uns als spezialisierte Verteidiger mit Ihrer Vertretung beauftragen – unabhängig davon, mit wem Ihre Versicherung zusammenarbeitet.
- Sie dürfen einen unabhängigen technischen Sachverständigen mit der Überprüfung Ihrer Messung beauftragen – und die Versicherung muss die Kosten übernehmen.
Der entschiedene Fall: Sachverständigengutachten nicht gedeckelt
Im entschiedenen Fall hatte ein Versicherter ein technisches Gutachten durch die VUT Sachverständigen GmbH & Co. KG in Auftrag gegeben. Die ADAC-Rechtsschutzversicherung wollte hiervon nur 600 Euro erstatten – mit der Begründung, höhere Kosten seien „nicht notwendig“.
Das LG München I stellte unmissverständlich klar:
Die Rechtsschutzversicherung ist verpflichtet, die übliche Vergütung für ein erforderliches Gutachten vollständig zu übernehmen. Pauschale Deckelungen oder Hinweise auf angeblich „kostengünstigere Alternativen“ sind rechtlich irrelevant.
Auch das Argument „Schadensminderungspflicht“ greift nicht
Das Gericht betonte deutlich: § 82 VVG kann nicht herangezogen werden, um Leistungszusagen aus dem Versicherungsvertrag einzuschränken – weder vor noch nach der Beauftragung eines Sachverständigen.
Wörtlich heißt es:
„§ 82 VVG und das damit für den Versicherer bestehende Weisungsrecht dienen nicht dazu, das in den Versicherungsbedingungen gegebene Leistungsversprechen zu begrenzen.“
Das bedeutet auch: Selbst wenn die Versicherung vorab Einschränkungen ausspricht (z. B. Vertragsgutachter oder Kostenobergrenzen nennt), bleibt sie an das Leistungsversprechen aus dem Vertrag gebunden – solange das Gutachten erforderlich ist und die Kosten branchenüblich sind.
Freie Anwaltswahl – ein Recht, kein Wunsch
Viele Versicherungen versuchen zudem, Versicherte an sogenannte „Vertragsanwälte“ zu verweisen – Kanzleien, mit denen der Versicherer dauerhaft zusammenarbeitet. Doch:
Sie haben jederzeit das Recht, einen Anwalt Ihrer Wahl zu beauftragen – auch in Bußgeldsachen.
Gerade bei technischen Messverfahren, wie:
- Geschwindigkeitsmessung
- Abstandsmessung
- Rotlichtverstoß
…ist die Verteidigung durch spezialisierte Rechtsanwälte und Fachanwälte entscheidend.
Unsere Leistungen für Sie – unabhängig und rechtlich abgesichert:
✅ Unabhängige Verteidigung durch erfahrene Anwälte
Wir sind nicht an Vorgaben von Versicherungen gebunden und vertreten ausschließlich Ihre Interessen – bundesweit.
✅ Prüfung der Rechtsschutzversicherung inklusive
Wir prüfen, ob Ihre Versicherung die Kosten für das Sachverständigengutachten und unsere Tätigkeit übernehmen muss – in der Regel: ja.
✅ Zusammenarbeit mit anerkannten technischen Sachverständigen
Wir holen auf Wunsch und in Abstimmung mit Ihrer Rechtsschutzversicherung ein technisches Gutachten zur Messung ein.
✅ Sichere und einfache Mandatierung online
Sparen Sie Zeit: Über unser digitales Mandatsformular können Sie uns schnell und sicher beauftragen.
Fazit: Vertrauen Sie nicht auf pauschale Aussagen der Versicherung – prüfen Sie Ihre Rechte
- Sie haben das Recht auf einen Anwalt und Sachverständigen Ihrer Wahl.
- Die Kosten übernimmt in aller Regel Ihre Rechtsschutzversicherung – vollständig.
- Lassen Sie sich nicht auf Empfehlungen von „Vertragsgutachtern“ oder „Vertragsanwälten“ ein.
- Für eine effektive Verteidigung in Bußgeldsachen ist Spezialisierung entscheidend.
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Zusammenfassung des Urteils des LG München I (Az. 25 O 13841/24)
Sachverhalt:
Ein Versicherungsnehmer hatte im Rahmen eines Bußgeldverfahrens ein technisches Gutachten bei einer Sachverständigen GmbH & Co. KG beauftragt. Die Kosten für das Gutachten beliefen sich auf rund 1.000 Euro. Die Rechtsschutzversicherung verweigerte die vollständige Kostenerstattung und zahlte lediglich einen Anteil von 600 Euro. Begründung: Ein höherer Betrag sei „nicht notwendig“ und verstoße gegen die Schadensminderungspflicht nach § 82 VVG.
Der Versicherungsnehmer klagte auf Erstattung der vollen Gutachterkosten – mit Erfolg.
Rechtliche Würdigung:
Das Landgericht München I stellte in seinem Urteil klar, dass die Argumentation der Versicherung nicht durchgreift. Weder der Verweis auf § 82 VVG noch pauschale Hinweise auf „kostengünstigere Alternativen“ seien geeignet, das vertraglich geschuldete Leistungsversprechen einzuschränken.
Wesentliche Erwägungen des Gerichts:
„§ 82 VVG und das damit für den Versicherer bestehende Weisungsrecht dienen nicht dazu, das in den Versicherungsbedingungen gegebene Leistungsversprechen unmittelbar zu begrenzen […].“
Das Gericht betont: Ein Versicherungsnehmer darf sich auf die vereinbarten Bedingungen seines Rechtsschutzvertrags verlassen. In den zugrunde liegenden ARB (Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen) war die Erstattung der „üblichen Vergütung eines technischen Sachverständigengutachtens“ vorgesehen – eine Regelung, die aus Sicht des LG München I keine Begrenzung auf bestimmte Preisobergrenzen oder bestimmte Gutachter zulässt.
Wörtlich führt das Gericht aus:
„Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer versteht die Klausel so, dass die Versicherung die Kosten für ein technisches Sachverständigengutachten übernimmt und dafür die übliche Vergütung zahlt, soweit ein Gutachten erforderlich ist.“
Zeitpunkt der Beauftragung:
Besonders wichtig: Die Beauftragung des Gutachters erfolgte vor der angeblichen Kostendeckelung durch die Versicherung. Doch selbst wenn eine solche Weisung vor Beauftragung erfolgt wäre, ändert das nach Ansicht des Gerichts nichts an der Erstattungspflicht, solange kein expliziter Ausschluss im Vertrag enthalten ist:
„Dies gilt umso mehr, als die Beklagte in der […] erteilten Deckungszusage insoweit keinerlei Einschränkungen vorgenommen hatte.“
Ergebnis:
Das Landgericht München I verurteilte die Rechtsschutzversicherung zur vollständigen Erstattung der Sachverständigenkosten. Es stellte unmissverständlich klar:
✅ Eine Begrenzung der Gutachterkosten durch Pauschalbeträge ist nicht zulässig, wenn der Vertrag eine Erstattung der üblichen Vergütung vorsieht.
✅ Die Rechtsschutzversicherung kann keine Sachverständigen vorschreiben – der Versicherungsnehmer ist in der Wahl frei.
✅ § 82 VVG dient nicht als Grundlage zur Einschränkung des Leistungsversprechens im Versicherungsvertrag.
Praktische Relevanz für die Verteidigung:
Mit diesem Urteil stärkt das LG München I maßgeblich die Rechte der Versicherungsnehmer. Für Verteidiger im Ordnungswidrigkeitenrecht bedeutet das:
-
Technische Sachverständigengutachten zur Überprüfung von Messverfahren sind erforderlich und erstattungsfähig.
-
Es besteht keine Pflicht zur Rücksichtnahme auf angeblich günstigere Vertragsgutachter.
-
Eine Deckungszusage ohne Einschränkung bindet den Versicherer vollumfänglich.
Leitsatz (inhaltlich von uns):
Eine Rechtsschutzversicherung kann sich nicht durch pauschale Deckelungen oder Vorgaben zu bestimmten Sachverständigen oder Anwälten von ihrem Leistungsversprechen aus dem Versicherungsvertrag lösen, wenn die Beauftragung eines Gutachtens erforderlich war und dessen Kosten der üblichen Vergütung entsprechen. § 82 VVG begründet kein Kürzungsrecht des Versicherers.
Fundstelle:
LG München I, Urt. v. 19.09.2025, Az. 25 O 13841/24
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