
Fahrerlaubnis Entzug – Neuerteilung: Wann muss ich nochmal neue Prüfung machen?
Neuerteilung nach Entzug der Fahrerlaubnis:
Wann muss ich eine neue theoretische und praktische Prüfung machen?
Nach einem Fahrerlaubnisentzug stellt sich für viele Betroffene die Frage, welche Voraussetzungen für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis gelten. Insbesondere ob eine erneute theoretische und praktische Prüfung abgelegt werden muss, ist eine häufige Unsicherheit. Dieser Artikel bietet eine umfassende Übersicht über die wichtigsten Aspekte der Neuerteilung.
1. Gesetzliche Grundlage zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis
Die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis muss nach einem vorangegangenen Entzug erfolgen. Erst dann ist man wieder berechtigt, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Da es sich oft um komplexe und umfangreiche Fälle handelt, die individuell geprüft werden müssen, kann hier nur ein Überblick gegeben werden. Bereits die Gründe für einen Entzug der Fahrerlaubnis sind vielschichtig:
- Ein gerichtlicher Fahrerlaubnisentzug erfolgt im Rahmen eines Strafverfahrens und wird oft mit einer Sperrfrist verbunden.
- Ein verwaltungsrechtlicher Entzug durch die Fahrerlaubnisbehörde wird ausgesprochen, wenn Zweifel an der Eignung bestehen, etwa bei Alkohol- oder Drogenmissbrauch.
In beiden Fällen ist eine Neuerteilung nur auf Antrag möglich.
Die Bayerische Staatsregierung bietet mit ihrer Broschüre „Führerschein weg – was tun?“ eine wertvolle Orientierungshilfe für Betroffene. Die Broschüre kann kostenlos im Publikationsshop heruntergeladen werden und enthält umfassende Hinweise zum Ablauf der Neuerteilung.
Unterschied zwischen Fahrerlaubnisentzug und Fahrverbot
Viele Betroffene verwechseln den Entzug der Fahrerlaubnis mit einem Fahrverbot:
- Ein Fahrverbot (1-3 Monate) wird von der Bußgeldstelle verhängt. Der Führerschein wird vorübergehend abgegeben und nach Ablauf zurückgegeben. Ein Fahrverbot kann jedoch auch durch ein Gericht gemäß § 44 StGB für eine Dauer von bis zu 6 Monaten verhängt werden, insbesondere als Nebenstrafe bei Verkehrsstraftaten.
- Ein Fahrerlaubnisentzug bedeutet den vollständigen Verlust der Fahrerlaubnis. Eine Wiedererteilung ist nur durch Antrag und unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Häufig wird der Entzug der Fahrerlaubnis von einem Strafgericht gemäß § 69 StGB ausgesprochen. In diesem Fall wird in der Regel auch eine Sperrfrist für die Neuerteilung festgesetzt. Davon zu unterscheiden ist der Entzug der Fahrerlaubnis durch einen Bescheid der Fahrerlaubnisbehörde, der dann erfolgt, wenn Zweifel an der Fahreignung bestehen, beispielsweise bei Alkohol- oder Drogenmissbrauch oder bei Erreichen der 8-Punkte-Grenze im Fahreignungsregister.
2. Wann ist eine erneute Prüfung erforderlich?
Gemäß § 20 Abs. 2 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde eine erneute Prüfung anordnen, wenn Tatsachen darauf hindeuten, dass der Antragsteller die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr besitzt. Hierzu zählen:
- Lange Zeit ohne Fahrerlaubnis: Wer über viele Jahre keine Fahrerlaubnis besaß, verliert unter Umständen Übung und Wissen.
- Geänderte Vorschriften: Verkehrsregeln und Gesetze haben sich erheblich verändert.
- Moderne Fahrzeugtechnik: Neue Assistenzsysteme und Sicherheitsfeatures erfordern eine aktualisierte Fahrkompetenz.
Dauer des Entzugs als maßgebliches Kriterium
Ob eine erneute Prüfung erforderlich ist, hängt maßgeblich von der Dauer des Führerscheinentzugs ab. Die frühere gesetzliche 2-Jahres-Grenze für eine verpflichtende Prüfung wurde abgeschafft. Stattdessen ist nun eine Einzelfallprüfung erforderlich. Gerichtlich wurde festgestellt, dass eine erneute Prüfung ab 10 Jahren Entzug meist angeordnet wird, sofern keine besonderen Umstände dagegensprechen.
Relevante Urteile und Fristen:
- Nach 8 Jahren fehlender Fahrpraxis: Anlass zur Überprüfung (VGH München, NJW 2020, 256).
- Nach 10 Jahren ohne Fahrpraxis: Regelmäßige Anordnung der Prüfung (BVerwG, NJW 2012, 696).
- Nach 13-15 Jahren ohne Fahrerlaubnis: Hohe Wahrscheinlichkeit einer Prüfungspflicht (OVG Bautzen, VG Bremen, OVG Münster).
- Nach 20 Jahren oder mehr: Prüfung in nahezu allen Fällen erforderlich (OVG Bautzen, VG Trier).
Die Entscheidung, ob eine Prüfung notwendig ist, hängt auch davon ab, wie lange der Fahrer zuvor aktiv am Verkehr teilgenommen hat. Fahrpraxis mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen wie Mofas oder Fahrrädern wird nicht berücksichtigt.
Ein Beispiel: Ein Fahrer erhielt seine Fahrerlaubnis 1991, verlor sie 1994 und erhielt sie 1995 erneut. Nach einer Erweiterung wurde die Fahrerlaubnis 2000 endgültig entzogen. Im Jahr 2024 beantragt er eine Neuerteilung. Da er seit 24 Jahren nicht gefahren ist, ordnet die Behörde eine neue theoretische und praktische Prüfung an.
3. Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU)
In bestimmten Fällen kann die Behörde eine MPU („Idiotentest“) anordnen, um die Fahreignung zu überprüfen. Dies ist erforderlich bei:
- Trunkenheitsfahrten mit ≥1,6 Promille
- Wiederholtem Alkohol- oder Drogenkonsum im Straßenverkehr
- Erreichen von 8 Punkten im Fahreignungsregister
Die Sperrfrist sollte auch gleich zur Vorbereitung auf die MPU genutzt werden. Beratungsstellen bieten Vorbereitungskurse an, um eine erfolgreiche MPU zu erleichtern.
4. Ablauf der Neuerteilung
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Antragstellung bei der Fahrerlaubnisbehörde
- Der Antrag sollte 3-6 Monate vor Ablauf der Sperrfrist gestellt werden.
- Erforderliche Unterlagen: Personalausweis/Reisepass, Führungszeugnis, ggf. MPU-Gutachten.
- Die Fahrerlaubnisbehörden haben oft auf Ihrer Homepage Hinweise zu den nötigen Unterlagen. Exemplarisch sei auf die Seite des LRA Rosenheim hingewiesen, die sogar einen Online-Antrag ermöglicht!
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Prüfung der Fahreignung
- Die Behörde prüft, ob eine neue theoretische und/oder praktische Prüfung nötig ist.
- Anmeldung bei einer Fahrschule für Prüfungsanmeldung.
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Prüfungen (falls erforderlich)
- Theorieprüfung über Verkehrsregeln, Verkehrszeichen, Gefahrenlehre.
- Praktische Prüfung mit einem Fahrprüfer von TÜV oder DEKRA.
-
Erteilung der neuen Fahrerlaubnis
- Nach erfolgreichem Abschluss aller erforderlichen Schritte wird die Fahrerlaubnis neu ausgestellt.
5. Welche Klassen werden bei einer Neuerteilung erteilt?
Alte Fahrerlaubnisklassen werden in das aktuelle System überführt. Die Zuordnung erfolgt gemäß Anlage 3 zur FeV:
- Altklasse 1 → AM, A1, A2, A, L
- Altklasse 3 → C1, C1E, B, BE, AM, L, (T)
- Altklasse 2 → C, CE, C1, C1E, B, BE, AM, L, T
Wichtig: Nicht beantragte Klassen werden nicht automatisch übertragen!
6. Kosten der Neuerteilung
Die Kosten setzen sich aus mehreren Komponenten zusammen:
- Bearbeitungsgebühr Fahrerlaubnisbehörde: ca. max. 300 Euro
- Führungszeugnis: ca. 15,00 Euro
- MPU (falls erforderlich): 750 – 2000 Euro
- Erste-Hilfe-Kurs: ca. 30 – 50 Euro
- Sehtest: ca. 15 Euro
- TÜV-/DEKRA-Prüfungsgebühren (bei neuer Prüfung erforderlich)
7. Fazit: Frühzeitige Planung ist entscheidend
Wer eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis anstrebt, sollte sich frühzeitig informieren und den Antrag rechtzeitig stellen. Besonders lange Fahrpausen können eine erneute Prüfung erforderlich machen.
Tipps zur Vorbereitung:
✅ Fachanwalt kontaktieren – zur Klärung individueller Anforderungen ✅ Broschüre „Führerschein weg – was tun?“ durchlesen – enthält wichtige Informationen zur Antragstellung ✅ MPU-Vorbereitung nutzen – um die Erfolgschancen zu erhöhen ✅ Fahrschulunterricht oder private Übungsfahrten in Betracht ziehen – zur Auffrischung der Fahrpraxis
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