
VGH München: Medizinal-Cannabis und nichtmedizinisches Cannabis nie mischen!
Verlust der Fahreignung bei kumulativem Konsum von medizinischem und nichtmedizinischem Cannabis?
Entscheidung des VGH München zur Mischeinnahme von Medizinal-Cannabis als auch nichtmedizinischen Cannabis
Der Konsum von Cannabis und seine Auswirkungen auf die Fahreignung sind seit der Neuregelung durch das Cannabisgesetz (CanG) zum 1. April 2024 besonders umstritten. Der VGH München hat mit Beschluss vom 4. Februar 2025 (11 CS 24.1712) entschieden, dass die Frage, ob der kombinierte Konsum von medizinischem und nichtmedizinischem Cannabis automatisch zum Verlust der Fahrerlaubnis führt, erst im Hauptsacheverfahren zu klären ist. Allerdings überwiegt das Vollzugsinteresse der Behörde in der Zwischenzeit. Diese Entscheidung wirft weitreichende Fragen für Cannabis-Patienten und Gelegenheitskonsumenten auf.
Hintergrund des Falls: Polizeikontrolle
Ein Cannabis-Patient hatte bei einer Polizeikontrolle im Juni 2023 angegeben, täglich medizinisches Cannabis aufgrund einer ärztlichen Verordnung einzunehmen. Parallel dazu war er aber wegen eines Betäubungsmitteldelikts auffällig geworden, bei dem neben Haschisch und Marihuana auch harte Drogen (Amphetamin, Ecstasy) sichergestellt wurden. In dem sich anschließenden Strafverfahren verurteilte das Amtsgericht den Antragsteller rechtskräftig u.a. wegen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen sowie des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln.
In der Folge forderte das Landratsamt den Antragsteller auf, ein ärztliches Gutachten vorzulegen. Da er sich weigerte, ein ärztliches Gutachten vorzulegen, entzog die Fahrerlaubnisbehörde ihm mit sofortiger Wirkung die Fahrerlaubnis.
Der Antragsteller legte Widerspruch ein und argumentierte, die Gutachtensanordnung sei rechtswidrig. Insbesondere nehme er kein Cannabis mehr ein und die Behandlung mit Medizinal-Cannabis habe er zum Oktober 2023 eingestellt. Das Verwaltungsgericht (VG) gab ihm zunächst recht und stellte die aufschiebende Wirkung der Klage wieder her. Der VGH hob diese Entscheidung jedoch auf und begründete dies mit fortbestehenden Zweifeln an der Fahreignung.
Rechtliche Bewertung durch den VGH München
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung sei – so auch wieder der VGH – die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 14.6.2024 – 3 B 11.23 – DAR 2024, 637 Rn. 5 m.w.N.). Abzustellen sei also auf die Zustellung des Widerspruchsbescheids am 30. Juli 2024. Zugrunde zu legen sei danach das Straßenverkehrsgesetz (StVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl I S. 310, 919), bis dahin zuletzt geändert durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 12. Juli 2024 (BGBl I Nr. 233), und die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) vom 13. Dezember 2010, (BGBl I S. 1980), bis dahin zuletzt geändert durch Art. 14 CanG. Das Sechste Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 16. August 2024 (BGBl I Nr. 266), das insbesondere den Begriff des Missbrauchs modifiziert bzw. einen THC-Grenzwert von 3,5 ng/ml eingeführt hat, ist hingegen erst zum 22. August 2024 in Kraft getreten und spielte für die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verfügung keine Rolle (vgl. BVerwG a.a.O.).
Zur Beurteilung von Geschehnissen, die sich vor diesem Zeitpunkt ereignet hätten, hier namentlich der Einnahme von Cannabis, sei zunächst das seinerzeit geltende Recht in den Blick zu nehmen, bevor in einem zweiten Schritt zu prüfen sei, ob sich dieses bis zum maßgeblichen Zeitpunkt geändert hat und welche Folgen sich daraus ergeben.
Nun entscheidend: Missbrauch oder Abhängigkeit von Cannabis
Der VGH betont, dass nach alter Rechtslage der regelmäßige Konsum von Cannabis automatisch zum Verlust der Fahreignung führte. Nach neuer Rechtslage ist das nicht mehr uneingeschränkt der Fall. Entscheidend sei nun, ob ein Missbrauch oder eine Abhängigkeit besteht.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV habe die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gelte dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen würde. Würden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, fänden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).
Diese Regelungen haben sich zwischen der hier inmitten stehenden Einnahme von Cannabis, die in dem Zeitraum zwischen Februar und Oktober 2023 lag, und dem Erlass des Widerspruchsbescheids nicht geändert.
alte Regelung bis 30.03.2024
Geändert hätten sich jedoch mit Inkrafttreten von Art. 14 CanG zum 1. April 2024 in Teilen die Regelungen in Nr. 9 der Anlage 4 zur FeV, nach denen sich die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei Einnahme von Cannabis beurteilt. Insbesondere führte nach Nr. 9.2.1 der Anl. 4 FeV in der bis zum 30. März 2024 geltenden Fassung (im Folgenden: FeV aF) die regelmäßige, verstanden als tägliche oder nahezu tägliche Einnahme von Cannabis im Regelfall ohne weitere Aufklärung zur Ungeeignetheit (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 2 StVG Rn. 54 ff.).
neue Regelung ab 01.04.2024
Nach Nr. 9 der Anlage 4 zur FeV in der ab dem 1. April 2024 geltenden Fassung (im Folgenden: FeV nF) hat die regelmäßige Einnahme von Cannabis im vorgenannten Sinn hingegen nicht mehr ohne Weiteres mangelnde Fahreignung zur Folge. Als Eignungsmängel genannt werden nunmehr nur noch die Abhängigkeit von Cannabis (Nr. 9.2.3) sowie der Missbrauch (Nr. 9.2.1). Cannabismissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinn lag nach der Legaldefinition in Nr. 9.2.1 Anl. 4 FeV nF im hier maßgeblichen Zeitpunkt vor, wenn das Führen Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Cannabiskonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden konnten. Dabei galt ein Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Blutserum.
Nr. 9.4 sowie Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV wiederum sind mit der o.g. Novelle zum 1. April 2024 formal unverändert geblieben. Danach führt die missbräuchliche Einnahme (regelmäßig übermäßiger Gebrauch) von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln und anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen (Nr. 9.4) ebenso zur Ungeeignetheit wie eine Dauerbehandlung mit Arzneimitteln bei Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß (Nr. 9.6). Fraglich ist allerdings, ob die Auslegung und Anwendung dieser Regelungen für den Fall der Einnahme von Medizinal-Cannabis nicht gleichwohl der vorgenannten geänderten Beurteilung der regelmäßigen Einnahme von Cannabis Rechnung tragen muss.
Dies zu Grunde gelegt hätte der Antragsteller seine Fahreignung aufgrund des Konsums von Cannabis nach altem Recht ohne Weiteres verloren. Der Senat des VGH München ging allerdings – anders als das Verwaltungsgericht – davon aus, dass der Antragsteller in erheblichem Umfang auch medizinisches Cannabis konsumiert habe. Ferner neigte der Senat dazu, darin eine die Fahreignung ausschließende missbräuchliche Einnahme von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln (Nr. 9.4) und keinen regelmäßigen Cannabiskonsum (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV aF) zu sehen.
Der VGH ließ die Frage offen, ob der kombinierte Konsum von medizinischem und nichtmedizinischem Cannabis eine missbräuchliche Einnahme eines psychoaktiven Arzneimittels darstellt.
Allerdings sprächen die hohe Konsumintensität des Antragstellers und sein vorheriger Umgang mit Betäubungsmitteln gegen seine Trennfähigkeit zwischen Konsum und Teilnahme am Straßenverkehr. Daher sei es im Interesse der Verkehrssicherheit, die Fahrerlaubnis vorerst zu entziehen.
Praxisrelevanz und Tipps für Betroffene
Die Entscheidung des VGH München zeigt, dass medizinische Cannabis-Patienten weiterhin einem strengen Maßstab unterliegen, insbesondere wenn parallel illegal erworbenes Cannabis konsumiert wurde. Es handelt sich um eine Entscheidung in einem Eilverfahren, bei der zunächst nach einer reine Interessenabwägung im Lichte der Erfolgsaussichten der Hauptsache entschieden wird. Eine finale Entscheidung bedarf nach Auffassung des VGH München dann aber der näheren Prüfung im Hauptsacheverfahren.
Wichtige Empfehlungen für Betroffene:
- Klarheit über die Konsumform: Patienten sollten sich von ihrem behandelnden Arzt eine detaillierte Bescheinigung über die medizinische Indikation und Einnahmedauer ausstellen lassen.
- Vermeidung illegaler Bezugsquellen: Der kombinierte Konsum aus medizinischer und nichtmedizinischer Quelle kann Zweifel an der Fahreignung begründen.
- Trennungsgebot beachten: Auch nach der Gesetzesänderung bleibt die Fahreignung bei mangelnder Trennung zwischen Konsum und Fahren infrage gestellt.
- Kooperation mit den Behörden: Wer zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens aufgefordert wird, sollte unverzüglich Rechtsrat bei einem spezialisierten Anwalt einholen und sich beraten lassen, ob dieser Anordnung nachgekommen werden soll. Oft lassen sich durch eine unverzügliche Beratung negative Konsequenzen vermeiden.
Wichtige rechtliche Aspekte der Entscheidung
- Die alte Rechtslage führte bei regelmäßigem Konsum zu einem automatischen Verlust der Fahreignung.
- Die neue Regelung ab dem 1. April 2024 verlangt entweder Missbrauch oder Abhängigkeit als Voraussetzung für die fehlende Fahreignung.
- Ein intensiver Konsum von medizinischem und nichtmedizinischem Cannabis kann jedoch weiterhin Zweifel an der Fahreignung begründen.
- Das Interesse an der Verkehrssicherheit wiegt im Eilverfahren schwerer als das persönliche Interesse des Antragstellers an der Nutzung seiner Fahrerlaubnis.
Fazit
Die Rechtslage zur Fahreignung nach Cannabiskonsum bleibt weiterhin umstritten. Besonders der kumulative Konsum von medizinischem und nichtmedizinischem Cannabis ist noch nicht abschließend geklärt und wird künftige Gerichtsentscheidungen beschäftigen. Betroffene sollten sich frühzeitig informieren und ihre Dokumentation zu ihrem Cannabis-Konsum sorgfältig führen, um Probleme mit der Fahrerlaubnisbehörde zu vermeiden.
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Auszüge aus dem Beschluss des BayVGH vom 04.02.2025 – Az. 11 CS 24.1712
“In rechtlicher Hinsicht ist der Konsum von nicht ärztlich verordnetem neben ärztlich verordnetem Cannabis (insb. Cannabisblüten) teilweise als regelmäßiger Cannabiskonsum i.S.d Nr. 9.2.1 der Anl. 4 zur FeV aF (so VGH BW, B.v. 31.1.2017 – 10 S 1503/16 – VRS 131, 207 = juris Rn. 5, 10; VG Aachen, B.v. 18.8.2020 – 3 L 445/20 – BA 2020, 305 = juris Rn. 13, VG Koblenz, U.v. 19.5.2022 – 4 K 66/22.KO – juris Rn. 28 ff.), teilweise als missbräuchliche Einnahme i.S.d. Nr. 9.4 der Anl. 4 zur FeV aF (so BayVGH, B.v. 3.7.2023 – 11 C 23.363 – juris Rn. 21) eingeordnet, teilweise aber auch beiden Ausschlussgründen zugewiesen worden (so VG Karlsruhe, U.v. 30.6.2016 – 3 K 3375/15 – juris Rn. 32). Soweit für den Senat ersichtlich, ist diese Frage in der Rechtsprechung bislang nicht näher erörtert worden. Nach altem Recht bestand aber auch kein Anlass dazu, weil beide Zuordnungen regelmäßig zu mangelnder Fahreignung führten.
aa) In diesem Zusammenhang fragt sich zunächst, in welchem Verhältnis die Nr. 9.1 und 9.2 auf der einen und die Nr. 9.4 sowie 9.6 der Anl. 4 zur FeV aF auf der anderen Seite stehen. Wenn der vorgenannte kumulative Konsum von medizinischem und nichtmedizinischem Cannabis teilweise als regelmäßige Einnahme i.S.d. Nr. 9.2.1 der Anl. 4 FeV aF angesehen worden ist, dürfte dem die Annahme zu Grunde liegen, diese enthalte die Grundregel (grundsätzliches Verbot der regelmäßigen Einnahme von Cannabis), während die Nr. 9.4 und 9.6 der Anl. 4 zur FeV aF im Sinne einer Privilegierung Bedingungen aufstellen, unter denen die regelmäßige Einnahme von Cannabis die Fahreignung ausnahmsweise nicht entfallen lasse. So formuliert es ausdrücklich auch das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss.
Ein solches Regel-Ausnahme-Verständnis bietet sich auf den ersten Blick bei Medizinal-Cannabis sowie weiteren psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln, die dem Betäubungsmittelgesetz unterfallen, zwar durchaus an. Damit ist das Verhältnis der Nr. 9.1, 9.2 und der Nr. 9.4, 9.6 der Anl. 4 zur FeV aF aber jedenfalls nicht abschließend umschrieben. Dies gilt bereits deshalb, weil sich der Anwendungsbereich der Nr. 9.1 und 9.2 auf der einen und der Nr. 9.4 und 9.6 der Anl. 4 zur FeV aF auf der anderen Seite nicht decken. Psychoaktiv wirkende Arzneimittel i.S.d. Nr. 9.4 und 9.6 sowie andere psychoaktiv wirkende Stoffe i.S.d Nr. 9.6 der Anl. 4 zur FeV aF unterfallen nur zum Teil dem Begriff des Betäubungsmittels bzw. des Cannabis i.S.d. Nr. 9.1, 9.2 der Anl. 4 zur FeV aF (vgl. Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Aufl. 2018, S. 304, 307 f.). Schon deshalb regeln die Nr. 9.4 und 9.6 jedenfalls nicht nur Ausnahmen zu den grundsätzlichen Ungeeignetheitstatbeständen in Nr. 9.1 und 9.2 der Anl. 4 zur FeV aF, sondern enthalten auch eigenständige Ausschlussgründe. Dafür streiten zudem die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 (Vkbl S. 110) in der Fassung vom 17. Februar 2021 (Vkbl S. 198), die regelmäßig zum Verständnis der Anlage 4 zur FeV mit in den Blick zu nehmen sind (vgl. dazu BayVGH, B.v. 29.10.2024 – 11 CS 24.1155 – juris Rn. 15 m.w.N.). Danach führt die Einnahme anderer psychoaktiv wirkender Stoffe als Betäubungsmittel und Cannabis unter den dort genannten Voraussetzungen zur Ungeeignetheit (Nr. 3.14.1), ebenso nach Nr. 3.14.2 die Dauerbehandlung mit Arzneimitteln.
Ferner hat die Rechtsprechung bislang angenommen, Nr. 9.4 und Nr. 9.6 der Anl. 4 zur FeV definierten spezielle Anforderungen für Eignungsmängel, die aus dem Gebrauch psychoaktiver Arzneimittel resultierten (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2024 – 11 CS 24.70 – juris Rn. 20 m.w.N.). Es ist nicht ersichtlich, dass sich dies mit dem Cannabisgesetz grundlegend geändert hätte. Vielmehr ist nach der Gesetzesbegründung zu Art. 14 CanG, wie der Antragsgegner zu Recht ausführt, Cannabis, das den EUrechtlich harmonisierten Arzneimittelbegriff des Arzneimittelgesetzes erfüllt, im Sinne der FeV als Arzneimittel einzuordnen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers greifen insoweit die Ziffern 9.4 bzw. 9.6 der Anl. 4 zur FeV (BT-Drs. 20/8704 S. 156). Dies spricht dafür, dass die Einnahme psychoaktiv wirkender Arzneimittel jedenfalls auch, wenn nicht gar abschließend (in diesem Sinn Dauer in Hentschel/König/Dauer, § 2 StVG Rn. 62b; Pause-Münch in Freymann/Wellner, jurisPK-StVR, § 14 FeV Rn. 33; offen gelassen in BayVGH, B.v. 29.4.2019 – 11 B 18.2482 – zfs 2019, 414 = juris Rn. 31) anhand der Nr. 9.4 und 9.6 der Anl. 4 zur FeV aF zu beurteilen ist. So hat es die Rechtsprechung im Übrigen bei sonstigen Verstößen gegen die Konsumform oder Dosierung von Medizinal-Cannabis auch ohne Weiteres gehalten (vgl. BayVGH, a.a.O. Rn. 22 ff.; VGH BW, B.v. 25.10.2022 – 13 S 1641/22 – NJW 2023, 465 = juris Rn. 5).
bb) Legt man dieses Verständnis zu Grunde, waren die Voraussetzungen einer missbräuchlichen Einnahme von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln i.S.d. der Nr. 9.4 der Anl. 4 zur FeV aF, die nach dem dortigen Klammerzusatz bei regelmäßigem übermäßigem Gebrauch anzunehmen ist, seinerzeit erfüllt.
(1) Medizinal-Cannabis ist ein psychoaktiv wirksames Arzneimittel in diesem Sinn (vgl. BayVGH, B.v. 31.3.2022 – 11 CS 22.158 – juris Rn. 12; s. auch BT-Drs. 20/8704 S. 156; Pause-Münch in Freymann/Wellner, jurisPK-StVR, § 14 FeV Rn. 49.1).
(2) Die Regelmäßigkeit des Konsums wird bejaht, wenn der übermäßige Gebrauch nicht nur sporadisch vorkommt (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2019 – 11 B 18.2482 – zfs 2019, 414 = juris Rn. 24; VGH BW, B.v. 25.10.2022 a.a.O. Rn. 7; Derpa in Hentschel/König, § 2 StVG Rn. 65). Dieses Merkmal ist hier nach dem Vorgenannten erfüllt; der Antragsteller hat in einem kurzen Zeitraum in erheblichem Umfang medizinisches und daneben nichtmedizinisches Cannabis eingenommen.
(2) Übermäßig ist ein Gebrauch nach der Rechtsprechung bei einer Einnahme des Medikaments in zu hoher Dosis. Dem gleichgestellt wird die Einnahme entgegen der konkreten Verschreibung (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2019 a.a.O. Rn. 24; VGH BW, B.v. 25.10.2022 a.a.O. Rn. 7; Derpa a.a.O. Rn. 65). Bezugspunkt für die Feststellung des Übermaßes ist bei dieser Sichtweise also die ärztliche Verordnung. Dieses Verständnis liegt auch den Beurteilungskriterien zu Grunde (Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 4. Aufl. 2022, S. 228 unter Verweis auf den Begriff des nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch nach den S3-Leitlinien „Medikamentenbezogene Störungen“). Begründet wird das dort damit, dass bei einer stabilen Dauermedikation nach einer Einstellungsphase ein Gewöhnungseffekt mit einer deutlichen Reduktion von Nebenwirkungen angestrebt wird, so dass das sichere Führen von Kraftfahrzeugen hier weniger beeinträchtigt sei. Der missbräuchliche Konsum hingegen berge im Gegensatz zu einer ärztlich verordneten und überwachten Arzneimitteleinnahme die Gefahr des Kontrollverlustes, einer Überdosierung sowie einer reduzierten Regelakzeptanz, was die Gefährdung der Verkehrssicherheit deutlich erhöhe. Besonders relevant für die Fahreignung sei die Entwicklung eines Fehlgebrauchsmusters, also eines wiederholten bzw. regelmäßigen Fehlgebrauchs in Abgrenzung zum einmalig bzw. kurzzeitig versehentlich erfolgten Medikationsfehler (Beurteilungskriterien a.a.O.).
Dem ist allerdings entgegengehalten worden, der bloße Abgleich der tatsächlichen Einnahmepraxis mit dem Rezept greife zu kurz, da der Übergang fließend sei und sich nicht jede Fehldosierung auf die Fahrtauglichkeit auswirke (vgl. Ludovisy in Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaft (Hrsg.), 37. Deutscher Verkehrsgerichtstag 1999, S. 119 f., abrufbar unter deutscher-verkehrsgerichtstag.de). In diese Richtung weist auch Nr. 3.14 der Begutachtungsleitlinien. Danach ist, wer, ohne abhängig zu sein, missbräuchlich oder regelmäßig andere psychoaktiv wirkende Stoffe als Betäubungsmittel und Cannabis zu sich nimmt, die die körperlich-geistige (psychische) Leistungsfähigkeit eines Kraftfahrers ständig unter das erforderliche Maß herabsetzen oder die durch den besonderen Wirkungsablauf jederzeit unvorhersehbar und plötzlich seine Leistungsfähigkeit oder seine Fähigkeit zu verantwortlichen Entscheidungen (wie den Verzicht auf die motorisierte Verkehrsteilnahme) vorübergehend beeinträchtigen können, nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden.
Die Mindestanforderungen an die Tauglichkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs nach Nr. 15 des Anhangs III zur RL 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (Führerschein-Richtlinie, RL 2006/126/EG, in konsolidierter Fassung abrufbar unter eur-lex.europa.eu), deren Umsetzung Nr. 9.4 der Anl. 4 zur FeV aF dient (vgl. dazu BR-Drs. 443/98 S. 255, 263), sprechen ebenfalls eher dafür, dass nicht jede regelmäßige Fehldosierung die Fahreignung entfallen lässt. Allerdings streiten sie auch dafür, dass die vorgenannten Kriterien nach den Begutachtungsleitlinien jedenfalls bei wörtlichem Verständnis zu eng sind. In Nr. 15 des Anhangs III zur RL 2006/126/EG findet sich unter dem Begriff „Missbrauch“ die Vorgabe, dass Bewerbern oder Fahrzeugführern, die von psychotropen Stoffen abhängig sind oder, auch ohne abhängig zu sein, von solchen Stoffen „regelmäßig übermäßig Gebrauch“ machen, eine Fahrerlaubnis unabhängig von der beantragten Führerscheinklasse weder erteilt noch ihre Fahrerlaubnis erneuert werden darf. Nach Nr. 15.1 darf Bewerbern oder Fahrzeugführern, die regelmäßig psychotrope Stoffe in irgendeiner Form einnehmen, eine Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Gruppe 1 weder erteilt noch darf ihre Fahrerlaubnis erneuert werden, wenn die aufgenommene Menge so groß ist, dass die Fahrtüchtigkeit nachteilig beeinflusst wird (Satz 1). Dies gilt auch für alle anderen Arzneimittel oder Kombinationen von Arzneimitteln, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen (Satz 2).
Auch diese Regelungen werfen Fragen auf, insbesondere danach, welchen Raum sie für die Prüfung der – anders als in der Bestimmung zu Alkohol in Nr. 14.1 des Anhangs III zur Richtlinie – hier nicht genannten (individuellen) Trennungsfähigkeit lassen. Sicher erscheint allerdings, dass der eingenommene Stoff zum einen (abstrakt) geeignet sein muss, die Fahrtüchtigkeit herabzusetzen (vgl. auch die englische Fassung: „psychotropic substances which can hamper the ability to drive safely“). Zum anderen wird deutlich, dass die eingenommene Menge (im konkreten Fall) so groß sein muss, dass sie nachteilige Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit hat (vgl. auch die englische Fassung: „where the quantities absorbed are such as to have an adverse effect on driving“). Diese unionsrechtlichen Vorgaben hat auch der Senat in seiner Rechtsprechung mit in den Blick genommen und darauf abgestellt, ob die Fahrtüchtigkeit nachteilig beeinflusst wird (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2019 – 11 B 18.2482 – zfs 2019, 414 = juris Rn. 25 ff.). Bei diesem Verständnis ist jedenfalls nicht nur die Verschreibung Bezugspunkt für die Feststellung des Übermaßes, sondern kommt es auch auf die Fahrtüchtigkeit an.
Danach ist hier in jedem Fall von einem übermäßigen Gebrauch auszugehen, ohne dass die vorgenannten Fragen des rechtlichen Maßstabs einer weiteren Erörterung bedürfen. Die Einnahme von medizinischem und nichtmedizinischem Cannabis war unvereinbar mit der erfolgten Verordnung, insbesondere der verschriebenen Dosierung. Sollte der Antragsteller das nichtmedizinische und das medizinische Cannabis in so engem Zusammenhang eingenommen haben, dass sie gleichzeitig wirksam waren, läge darin ohne Weiteres ein Verstoß gegen die verschriebene Dosis. Die pharmakologische Wirkung von Cannabis wird im Wesentlichen durch die Substanz THC vermittelt (vgl. Müller-Vahl/Grotenhermen, Cannabis und Cannabinoide in der Medizin, 2. Aufl. 2024, S. 64; Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, S. 315). Folglich richtet sich die Dosierung an der Menge THC aus, die nach ärztlicher Einschätzung benötigt wird (vgl. Müller-Vahl/Grotenhermen a.a.O. S. 379 f.). THC findet sich aber gleichermaßen in nichtmedizinischem Cannabis, das sich insoweit nicht von therapeutischem Cannabis unterscheidet (vgl. dazu nur Graw/Mußhoff in BA 2016, 289/291, 296). Sollte der Antragsteller hingegen, wie von seinem Bevollmächtigten im Strafverfahren angegeben, eigenmächtig medizinisches durch nichtmedizinisches Cannabis ersetzt haben, läge es nicht anders. Denn bei nichtmedizinischem Cannabis ist die Sicherstellung einer gleichbleibenden Dosierung insbesondere wegen des nicht genau bekannten und schwankenden Wirkstoffgehalts nicht möglich (vgl. OVG BW, B.v. 31.1.2017 – 10 S 1503/16 – VRS 131, 207 = juris Rn. 9; VG Karlsruhe, U.v. 30.6.2016 – 3 K 3375/15 – juris Rn. 31).
Ferner liegt es auf der Hand, dass die eingenommene Menge so groß war, dass sie nachteiligen Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit hatte. Der Senat hat angenommen, dass dies regelmäßig nicht auszuschließen ist, wenn Medizinal-Cannabis nicht entsprechend der ärztlichen Verschreibung eingenommen wird (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2019 – 11 B 18.2482 – zfs 2019, 414 = juris Rn. 27). Zudem ist dem Antragsteller hier mit zweimal täglich 1 g Cannabis eine beträchtliche Dosis verschrieben worden. Nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin sowie der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie liegt eine moderate Konsummenge bei 0,25 g Cannabis pro Joint (Wagner/Brenner-Hartmann/Mußhoff/Graw; Cannabismissbrauch – Eignungszweifel bei erstmaliger Verkehrsauffälligkeit v. 12.9.2024, abrufbar unter dgvm-verkehrsmedizin.de). Allgemein wird die durchschnittliche Konsummenge häufig mit etwa 0,3 g Cannabis pro Joint angegeben (vgl. z.B. MDR, Beitrag v. 23.4.2024 mit dem Titel „Cannabisgesetz: Die Regeln für Kiffen und Hanfanbau in Deutschland“, abrufbar unter mdr.de). Mit anderen Worten dürfte die hier täglich verschriebene Dosis THC mindestens derjenigen entsprechen, die ein Freizeitkonsument mit sechs bis acht Joints einnimmt. Wahrscheinlich liegt sie aber auch noch beträchtlich darüber. Denn bei der Bemessung einer moderaten Konsummenge im o.g. Sinn dürfte von einem Wirkstoffgehalt von 10% THC im Cannabis ausgegangen worden sein (vgl. dazu Fastenmeier/Brenner-Hartmann/Graw/Mußhoff, Empfehlung einer Wartezeit nach Konsum von Cannabis vor Verkehrsteilnahme, BA 2024, 378). Zugleich wird der aktuelle durchschnittliche THC-Gehalt von nichtmedizinischen Cannabisblüten mit 14% angegeben, der von Cannabisharz mit 20% (vgl. Bundesministerium für Gesundheit, Fragen und Antworten zum Cannabisgesetz, abrufbar unter bundesgesundheitsministerium.de.). Das dem Antragsteller verschriebene Cannabis hingegen hatte, soweit auf den Bildern der beschrifteten Aufbewahrungsbehältnisse in der Strafakte ersichtlich, einen höheren Wirkstoffgehalt von etwa 20%.
cc) Ordnet man den Konsum von nicht ärztlich verordnetem neben ärztlich verordnetem Cannabis hingegen (ausschließlich) der regelmäßigen Einnahme von Cannabis i.S.d. Nr. 9.2.1 der Anl. 4 zur FeV aF zu, lagen diese Voraussetzungen hier ebenfalls ohne Weiteres vor.
4. Wie in dem Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt wird, hätte der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt die Fahreignung nach allgemeinen Maßstäben weder wiedererlangt noch war die Regierung gehalten, dem dahingehenden Einwand weiter nachzugehen.
Nach allgemeinen Maßstäben wäre von einer Wiedererlangung der Fahreignung auszugehen, wenn der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt kein Cannabis mehr eingenommen hätte und diese Abstinenz hinreichend gefestigt erschiene. Ebenso läge es bei einem hinreichend gefestigten Übergang zu einem die Fahreignung nicht ausschließenden Konsumverhalten (vgl. Derpa in Hentschel/König, § 2 StVG Rn. 63b). Zu Letzterem hat der Antragsteller aber bereits nichts vorgetragen. Seinen Angaben nach will er zukünftige Verstöße gegen die Regelungen zum Führen von Kraftfahrzeugen unter dem Einfluss von Cannabis bzw. Medizinal-Cannabis durch Abstinenz vermeiden. Diese Strategie ist somit auch der Prüfung der Wiedererlangung der Fahreignung zu Grunde zu legen (vgl. auch Beurteilungskriterien S. 175).
Nach welchen Vorgaben der Beurteilungskriterien, die nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich mit den in den Blick zu nehmen sind (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2023 – 11 CS 23.1413 – juris Rn. 22; Derpa in Hentschel/König, § 2 StVG Rn. 63a), sich die Wiedererlangung der Fahreignung hier bemisst, kann offen bleiben. Grundsätzlich kommen, wie die Regierung zutreffend angenommen hat, neben den Kriterien für die Prüfung der Fahreignung bei Drogenkonsum (sog. D-Hypothesen, Beurteilungskriterien S. 142 ff.) auch die Kriterien für die Beurteilung der Fahreignung im Fall der Dauermedikation und des Medikamentenmissbrauchs (sog. M-Hypothesen, Beurteilungskriterien S. 226 ff.) in Betracht (vgl. dazu BayVGH, B.v. 5.1.2024 – 11 CS 23.1818 – juris Rn. 19 ff.). Eher einschlägig erscheinen allerdings die D-Hypothesen, da der Antragsteller ersichtlich sehr lange Umgang mit Drogen hatte und es daher naheliegt, dass er jahrelang Cannabis auch zu Rauschzwecken konsumiert hat. Insbesondere finden sich, wie die Beschwerde dargelegt hat, auf seinem Mobiltelefon Bilder von Betäubungsmitteln bereits aus dem Jahr 2021 (Strafakte Bl. 93). Bei einem regelmäßigen Cannabiskonsum über mehrere Jahre wäre danach wohl ein Abstinenzzeitraum von einem Jahr zu fordern (vgl. Nr. 2 des Kriteriums D3.4 N). Letztlich bedarf diese Frage jedoch keiner Entscheidung.
Denn nach der Rechtsprechung des Senats darf die Fahrerlaubnisbehörde grundsätzlich von einer notwendigen Mindestabstinenz von einem Jahr ausgehen. Anderes gilt nur, wenn der Betroffene substantiiert und glaubhaft Umstände darlegt, die nach den Vorgaben der Beurteilungskriterien ohne Weiteres eine Frist von nur sechs Monaten nahelegen, oder solche Umstände offen zu Tage liegen (vgl. BayVGH; B.v. 5.10.2023 – 11 CS 23.1413 – juris Rn. Rn. 23). Daran fehlt es hier, da insbesondere die Konsummengen, -zeiträume und -motive vollkommen im Dunkeln liegen.
Zudem muss die Fahrerlaubnisbehörde, was in dieselbe Richtung geht, dem Wiedererlangungseinwand nur nachgehen, wenn zur behaupteten Drogenabstinenz Umstände hinzutreten, die diese Behauptung glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2021 – 11 CS 21.2414 – juris Rn. 19). Auch diese Voraussetzungen liegen, wie im Widerspruchsbescheid ausgeführt, hier nicht vor. Für die behauptete Abstinenz hat der Antragsteller keinerlei Belege vorgelegt. Insbesondere hat er, obwohl ihn das Landratsamt dazu mit Schreiben vom 4. Januar 2024 aufgefordert hat, keine ärztliche Bescheinigung zu der Frage vorgelegt, seit wann er kein medizinisches Cannabis mehr verordnet bekommt und wie die Behandlung der genannten Krankheiten aktuell erfolgt. Dies erscheint nach der eingereichten Erklärung behandelnden Arztes, der zufolge die Behandlung mit Medizinal-Cannabis die ultima ratio darstelle, nicht nachvollziehbar. Doch auch wenn man zu Gunsten des Antragstellers in Betracht zieht, dass hier möglicherweise von vornherein allein ein Konsum von Cannabis zu Rauschzwecken vorlag, der lediglich in ein medizinisches Gewand gekleidet wurde, erscheint die Sachlage so undurchsichtig, dass die Widerspruchsbehörde dem Wiedererlangungseinwand ohne einen belastbaren Abstinenznachweis nicht nachzugehen brauchte. Dies gilt umso mehr, als angesichts des Verhaltens des Antragstellers in der Vergangenheit erhebliche Bedenken hinsichtlich der Belastbarkeit seines Vorbringens zum aktuellen Stand bestehen.
5. Fraglich ist jedoch, ob der vorgenannte Konsum auch nach dem Inkrafttreten von Art. 14 CanG zum 1. April 2024 noch ohne Weiteres zu mangelnder Fahreignung führte.
a) Diese Frage stellt sich zum einen, wenn man den Konsum von medizinischem und nichtmedizinischem Cannabis nicht als missbräuchliche Einnahme von psyochaktiv wirkenden Arzneimitteln, sondern (nur) als regelmäßige Einnahme von Cannabis einordnet. Denn die regelmäßige Einnahme i.S.d. Nr. 9.2.1 der Anl. 4 zur FeV aF, also der tägliche oder nahezu tägliche Gebrauch, führt, wie bereits angeklungen, nicht mehr ohne Weiteres zu fehlender Fahreignung (vgl. auch OVG Saarl, B.v. 7.8.2024 – 1 B 80/24 – NJW 2024, 3249 = juris Rn. 14 f.). Vielmehr kam es nach der hier geltenden (zwischenzeitlich erneut geänderten) Nr. 9.2.1 der Anl. 4 zur FeV nF nur noch darauf an, ob das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Cannabiskonsum hinreichend sicher getrennt werden konnten. Dabei war, wie erwähnt, übergangsweise noch ein Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Blutserum zu Grunde zu legen (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, § 2 StVG Rn. 59a).
Auch wenn Nr. 9.2 der Anl. 4 zur FeV nF nicht mehr auf die Konsumhäufigkeit abstellt, spricht dennoch viel dafür, dass ein sehr intensiver Konsum nach neuem Recht gleichwohl ohne weitere Aufklärung zur Ungeeignetheit führen kann. Denn aufgrund des Abbauverhaltens von THC erscheint ab einer bestimmten Intensität der Einnahme unvermeidbar, dass die Konzentration im Blutserum beständig über dem Grenzwert liegt, so dass der Betroffene diesen gar nicht einzuhalten vermag. Über den Grundsatz besteht dabei Einigkeit: An sich (bei „gelegentlichem“ Konsum) wird die mit einer Konsumeinheit Cannabis aufgenommene Menge THC rasch abgebaut und sinkt die THC-Konzentration im Blutserum typischerweise binnen weniger Stunden auf weniger als 1 ng/ml herab. Ist das THC vor dem nächsten Konsum nicht vollständig abgebaut (bei „häufigerem“ bzw. „regelmäßigem“ Konsum), kommt es hingegen zu einer Kumulation im Körper und kann die THC-Konzentration im Blutserum auch nach längerer Zeit noch über dem Wert von 1,0 ng/ml liegen (vgl. Tönnes/Auwärter/Knoche/Skopp, BA 2016, 409/411; Fastenmeier/Brenner-Hartmann/Graw/Mußhoff, Empfehlung einer Wartezeit nach Konsum von Cannabis vor Verkehrsteilnahme, BA 2024, 378; Empfehlungen der interdisziplinären Arbeitsgruppe zur Untersuchung und Ermittlung eines gesetzlichen THC-Grenzwertes im Straßenverkehr, BA 2024, 243/245). So geht auch die interdisziplinäre Expertengruppe für die Festlegung eines THC-Wertes im Straßenverkehr davon aus, dass „intensiver konsumierende Personen, die etwa mehrmals täglich konsumieren“, selbst den (höheren) Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum nicht einhalten können (a.a.O. S. 348). Ungesichert erscheint jedoch, ab welcher Konsumhäufigkeit im Einzelfall eine Kumulation stattfindet (vgl. Tönnes/Auwärter/Knoche/Skopp a.a.O.; Fastenmeier/Brenner-Hartmann/Graw/Mußhoff a.a.O. S. 379). Erst recht weder näher vorherzusehen noch zu berechnen sind die konkreten Konzentrationsverläufe (Fastenmeier/Graw/Mußhoff/Brenner-Hartmann/Wagner, BA 2024, 536/540).
Davon ausgehend kann hier nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der Antragsteller auch nach neuem Recht bereits aufgrund seines Konsumverhaltens als gesichert ungeeignet anzusehen war. Angesichts einer Einnahme von 2 g Cannabis täglich liegt dies aber auch nicht fern. Das Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln hat in einer aktuellen Studie seine Blutproben untersucht, die die Polizei in den Jahren 2019 und 2020 nach einer Verkehrskontrolle zur Untersuchung auf Cannabis eingesandt hat. Es kam zu dem Ergebnis, dass in allen 865 Fällen, bei denen der THC-COOH-Wert 150 ng/ml erreichte und daher sicher von einem täglichen oder nahezu täglichen Gebrauch auszugehen war (vgl. dazu Dauer in Hentschel/König/Dauer, § 2 StVG Rn. 56), der Wert von 1 ng/ml THC überschritten wurde (vgl. Nikolic/Jübner/Lucuta/Rothschild/Andresen-Streichert, BA 2023, 61/67). Zudem haben die Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin und die Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie eine Empfehlung für eine Wartezeit bei regelmäßigem Konsum ausgesprochen. Zugrunde gelegt wird dabei die Einnahme moderater Einzelmengen von maximal 25 mg THC an mehreren Tagen in der Woche, aber auch nicht täglich. Bei diesem Konsummuster sei zumeist nach einer Wartezeit von drei bis fünf Tagen mit einem Unterschreiten des (höheren) Grenzwertes von 3,5 ng/ml zu rechnen (vgl. Fastenmeier/Brenner-Hartmann/Graw/Mußhoff a.a.O. S. 379). Dies wirft zwar die grundlegende Frage auf, wie das Spannungsverhältnis zwischen dieser fachlichen Einschätzung und der wertenden Entscheidung des Gesetzgebers, dass auch ein täglicher Cannabiskonsum die Fahreignung nicht ohne Weiteres ausschließt, aufzulösen ist und welche konkreten Anforderungen an ein angemessenes Trennverhalten bei der Begutachtung zu stellen sind. Es zeigt aber jedenfalls, dass eine Einhaltung des Trennungsgebots nach den Annahmen der Fachgesellschaften in einer Konstellation wie hier sehr fraglich erscheint. Denn zum einen galt für den Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt der Grenzwert von 1,0 ng/ml, nicht 3,5 ng/ml. Zum anderen hat er nicht nur mehrmals in der Woche, sondern täglich konsumiert und sich nicht auf moderate Einzelmengen im o.g. Sinn beschränkt. Soweit ersichtlich hatte das verschriebene Cannabis, wie erwähnt, einen Wirkstoffgehalt von etwa 20%. Bei einer Einnahme von 2 g Cannabis errechnet sich damit eine Menge von etwa 400 mg THC täglich, d.h. die sechzehnfache derjenigen, die die Fachgesellschaften ihrer Empfehlung zu Grunde legen. Sollte es im Hauptsacheverfahren darauf ankommen, müsste ggf. mit sachverständiger Hilfe versucht werden weiter aufzuklären, ob anzunehmen ist, dass der THC-Gehalt im Blutserum bei dieser Konsumintensität durchgehend über dem seinerzeit maßgeblichen Grenzwert von 1,0 ng/ml lag.
b) Ob der vorgenannte Konsum auch nach dem 1. April 2024 noch ohne Weiteres zu mangelnder Fahreignung führte, fragt sich aber auch, wenn man, wozu der Senat wie ausgeführt neigt, den kumulativen Gebrauch von medizinischem und nichtmedizinischem Cannabis (auch) als missbräuchliche Einnahme von psyochaktiv wirkenden Arzneimitteln i.S.d. Nr. 9.4 der Anl. 4 zur FeV ansieht. Nr. 9.4 der Anl. 4 zur FeV ist zwar seinem Wortlaut nach durch die o.g. Novelle zum 1. April 2024 nicht geändert worden. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob bei der Auslegung und Anwendung des Ausschlussgrundes nicht berücksichtigt werden muss, dass der regelmäßige Konsum von Cannabis grundsätzlich nur noch dann zu mangelnder Fahreignung führt, wenn der Grenzwert – von seinerzeit 1,0 ng/ml THC im Blutserum – überschritten wird.
aa) Wie das Verwaltungsgericht der Sache nach in diese Richtung ausgeführt hat, lässt sich die Grenzwertziehung als allgemeine Wertung verstehen, die auch für den Konsum von Medizinal-Cannabis Geltung beansprucht. Rechtlicher Ansatz zu deren Berücksichtigung könnte insbesondere das Tatbestandsmerkmal des „übermäßigen“ Gebrauchs sein. Wie oben angeklungen dürfte ein solcher voraussetzen, dass die Einnahme negativen Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit hat. Insoweit könnte folglich zum Tragen kommen, dass nach der Einschätzung des Gesetzgebers grundsätzlich nur eine Verkehrsteilnahme unter Überschreitung des Grenzwerts Fahreignungsrelevanz hat. Mit anderen Worten käme Ungeeignetheit nach Nr. 9.4 der Anl. 4 zur FeV nur dann in Betracht, wenn sich auch nach den Kriterien in Nr. 9.2 der Anl. 4 zur FeV nF (und i.R. vorheriger Aufklärung nach § 13a FeV nF) mangelnde Fahreignung ergäbe.
bb) Der Senat neigt jedoch eher dazu, dass Nr. 9.4 der Anl. 4 zur FeV im Fall der verschreibungswidrigen Einnahme von Medizinal-Cannabis jedenfalls dann keinen Raum für eine Einzelfallprüfung lässt, ob der für Nr. 9.2.1 der Anl. 4 zur FeV nF maßgebliche Grenzwert eingehalten wird, wenn der Betroffene sich im Verkehr auf sein Privileg als Cannabispatient beruft. Dieses beinhaltet, ohne Bindung an einen generellen Höchstwert unter dem Einfluss von Cannabis Fahrzeuge führen zu dürfen und das strenge Trennungsgebot nicht beachten zu müssen (vgl. BayVGH, B.v. 22.4.2020 – 11 CS 19.2434 – juris Rn. 17; s. auch § 24a Abs. 4 i.V.m. Abs. 1a StVG). Wer – wie der Antragsteller – bei einer Verkehrskontrolle gegenüber der Polizei darauf hinweist, Cannabispatient zu sein, dürfte damit bei lebensnaher Auslegung folglich zum Ausdruck bringen, er könne die Einhaltung des THC-Grenzwerts nicht sicherstellen, sei dazu aber auch nicht gehalten und müsse sich deswegen auch keiner entsprechenden Kontrolle unterziehen. Deswegen erscheint es widersprüchlich, in diesem Fall einen Nachweis der Überschreitung des Grenzwertes zu fordern. Damit in Einklang steht die Annahme, dass medizinisches Cannabis mit Blick auf die zu behandelnde Erkrankung regelhaft und meist in kurzem Abstand zum Fahrtantritt eingenommen wird, so dass hier regelmäßig THC-Spiegel im Blutserum von mehr als 1,0 bzw. 3,5 ng/ml anzutreffen seien (vgl. Wagner/Müller/Klipfel, Leitfaden Drogenerkennung und Fahreignung, 2. Aufl. 2024, S. 195 f.).
Ferner bestehen Zweifel, ob sich die Einhaltung des Trennungsgebots bei Betroffenen, die sich selbst im Straßenverkehr als Cannabispatienten ausgeben, überhaupt wirksam kontrollieren lässt. Im vorliegenden Fall hat die Polizei keine Blutprobe angeordnet, nachdem der Antragsteller sich als Cannabispatient ausgewiesen hat. Es spricht einiges dafür, dass dies – sofern keine Ausfallerscheinungen festgestellt werden – allgemeiner Praxis entspricht. Denn Cannabispatienten, die die Voraussetzungen des Arzneimittelprivilegs erfüllen (vgl. dazu Derpa in Hentschel/König, § 2 StVG Rn. 62b f.), unterliegen, wie erwähnt, keinem generellen Grenzwert. Sollte die Fahrerlaubnisbehörde anschließend, wie hier, zu dem Ergebnis kommen, der Betroffene könne das Privileg nicht in Anspruch nehmen, hindert diesen gleichwohl nichts daran, sich bei der nächsten Verkehrskontrolle wieder darauf zu berufen. Es ist auch nicht ersichtlich, wie die Polizei – abgesehen von Einzelfällen – Kenntnis davon erhalten sollte, dass der Kontrollierte tatsächlich kein privilegierter Cannabispatient ist. Mit anderen Worten könnte die Eignungsprüfung bei dieser Personengruppe gänzlich leerlaufen, wenn die Fahrerlaubnisbehörde erst bei dokumentierten Verstößen gegen das Trennungsgebot tätig werden dürfte. Gleichzeitig wird berichtet, dass Medizinal-Cannabis aus der Apotheke mangels anderer kommerzieller Angebote in großem Umfang und unproblematisch auch von solchen Nutzern bezogen wird, die es allein zu Zwecken des Freizeitkonsums einnehmen (vgl. den Beitrag „In 5 Minuten Cannabispatient“ in „Die Zeit“, Ausgabe 47 v. 7.11.2024, S. 20; Legal Tribune Online, Beitrag „Cannabis zu medizinischen Zwecken: Apotheken, die neuen Coffeeshops?“ v. 4.12.2024, abrufbar unter lto.de). Es dürfte sich daher um eine Frage von erheblicher praktischer Bedeutung handeln. Ferner ist anerkannt, dass die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten der Durchsetzung des Rechts grundsätzlich auch eine Ungleichbehandlung verschiedener Rauschmittel rechtfertigen können (vgl. dazu BVerfG, B.v. 9.3.1994 – 2 BvL 43/92 u.a. – BVerfGE 90, 145 = juris Rn. 183 f.). Dies spricht eher dafür, dass derjenige, der Medizinal-Cannabis einnimmt und sich auf das Privileg für Cannabispatienten beruft, dann die dafür geltenden Bedingungen einhalten muss, wenn er die Fahreignung nicht verlieren will (vgl. dazu auch Derpa a.a.O. Rn. 62b).
Ebenfalls in diese Richtung weist, dass der Gesetzgeber im Zuge der Teillegalisierung von Konsumcannabis bewusst zwischen medizinischem und nichtmedizinischem Cannabis trennt, indem er dieses mit dem Medizinal-Cannabisgesetz und dem Konsumcannabisgesetz unterschiedlichen Regelungen unterwirft. Zudem verweist der Antragsgegner zu Recht darauf, dass der Gesetzgeber bei der Änderung der FeV zum 1. April 2024 mit dem Cannabisgesetz angenommen hat, dass § 14 FeV bezogen auf Cannabis weiterhin anwendbar sei, wenn Cannabis als Arzneimittel verwendet werde, und (nur) im Übrigen § 13a FeV als lex specialis (BT-Drs. 20/10426 S. 151). Dies spricht für die Vorstellung, dass sich der Konsum von Cannabis zu Rauschzwecken und aus therapeutischen Gründen grundlegend unterscheiden, auch im Hinblick auf die Gefahren für den Straßenverkehr (vgl. dazu auch BT-Drs. 18/11701 S. 6). Dem entspricht es, wenn die Fahreignung bei Einnahme von Medizinal-Cannabis nach bisheriger Rechtsprechung an gänzlich anderen Kriterien zu messen ist, deren Erfüllung auch unabhängig von Auffälligkeiten im Straßenverkehr in Frage gestellt sein kann (vgl. dazu Derpa a.a.O. § 2 StVG Rn. 62a). Dies legt eher nahe, die Maßstäbe der Nr. 9.2 sowie der Nr. 9.4 der Anl. 4 zur FeV nF zu trennen.
cc) Denkbar wäre schließlich, auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Nach der medizinischen Literatur liegt die typische Tagesdosis bei bisher nicht mit Cannabis behandelten Patienten bei 0,05 bis 0,3 g Cannabisblüten (Müller-Vahle/Grotenhermen, Cannabis und Cannabinoide in der Medizin, S. 380). In der Praxis dürften daher auch eher geringe Dosierungen vorkommen, bei denen sich möglicherweise (längere) Zeitfenster am Tag ergeben, in denen der Betroffene ohne Verstoß gegen das Trennungsgebot am Straßenverkehr teilnehmen kann. Je höher hingegen die Dosis ist, umso wahrscheinlicher ist nach den o.g. Erkenntnissen eine Verkehrsteilnahme unter Überschreitung des Grenzwertes. Entspricht die Verschreibung, wie hier, der Menge THC, die ein Freizeitkonsument mit mehreren Konsumeinheiten aufnimmt, könnte dies daher vermutet werden, sofern der Betroffene nicht Anderes substantiiert darlegt und glaubhaft macht.
dd) Eine Klärung dieser Frage muss, wie bereits angeklungen, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
6. Kann demnach keine zuverlässige Prognose über den Ausgang des Klageverfahrens getroffen werden, sind die Vollzugsinteressen gegen die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen abzuwägen. Diese reine Interessenabwägung fällt hier zu Lasten des Antragstellers aus. Sein Verhalten begründet jedenfalls ernsthafte Bedenken, ob er den Konsum von Cannabis und das Führen von Fahrzeugen in Zukunft hinreichend sicher trennen kann und will. Dies gilt auch, wenn man zu seinen Gunsten insoweit den zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats geltenden Maßstab der Nr. 9.2.1 der Anl. 4 zur FeV in der ab dem 22. August 2024 geltenden Fassung und den danach nunmehr geltenden (höheren) Grenzwert von 3,5 ng/ml (vgl. dazu Derpa in Hentschel/König, § 2 StVG Rn. 55) zu Grunde legt. Daher überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiter am Straßenverkehr teilzunehmen.
a) Auch dann, wenn der Konsum des Antragstellers im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids weder als missbräuchliche Einnahme von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln i.S.d. Nr. 9.4 der Anl. 4 zur FeV anzusehen noch allein aufgrund der Konsumfrequenz ein Missbrauch i.S.d. Nr. 9.2.1 Anl. 4 zur FeV nF anzunehmen wäre, bestünden jedenfalls ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit des Antragstellers, den Konsum von Cannabis und das Führen von Kraftfahrzeugen in Zukunft sicher zu trennen, indem er den Grenzwert zuverlässig einhält.
Eine hinreichende Trennung von Cannabiskonsum und dem Führen eines Fahrzeugs setzt neben der Trennbereitschaft (s. dazu unten) ein ausreichendes Trennvermögen voraus. Die durch den Substanzeinfluss hervorgerufenen Leistungs- und Wahrnehmungsdefizite sowie eventuelle Veränderungen der Risikowahrnehmung und -bereitschaft müssen eingeschätzt und es muss beurteilt werden können, ab wann nach Konsumende eine sichere Verkehrsteilnahme wieder möglich ist (vgl. dazu auch Bundesanstalt für Straßenwesen, Infoblatt Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung Cannabis, abrufbar unter bast.de). Dies verlangt u.a. eine realistische Einschätzung des eigenen THC-Wertes nach dem Konsum von Cannabis. Eine nähere Abschätzung, welcher Höchstwert sich aus dem erfolgten Konsum ergibt und in welchem Maß dieser anschließend absinkt, ist dem Betroffenen jedoch praktisch unmöglich. Eine Berechnung anhand der bekannten Gesichtspunkte wie insbesondere der aufgenommenen Menge ist – anders als bei Alkohol – ausgeschlossen (vgl. dazu auch Fastenmeier/Graw/Mußhoff/Brenner-Hartmann/Wagner, BA 2024, 536/540). Zudem hängt die Konzentration auch von unkalkulierbaren Einflussfaktoren wie z.B. der Packdichte und Temperatur des Joints, der Inhalationstiefe sowie von individuellen und schwankenden Faktoren bei der Verteilung im Körper und Verstoffwechselung des Cannabis ab. Auf der sicheren Seite liegt der Betroffene daher nur dann, wenn er pauschale Wartezeiten beachtet, deren Länge sich an der Intensität des Konsums bemisst (vgl. Wagner/Brenner-Hartmann/Mußhoff/Graw, Empfehlungen einer Wartezeit nach Konsum von Cannabis vor Verkehrsteilnahme, BA 2024, 378 mit konkreten Vorschlägen).
Davon ausgehend steht der Antragsteller nicht nur vor den Herausforderungen, mit denen jeder Cannabiskonsument konfrontiert ist. Vielmehr befindet er sich jedenfalls in einer sehr ungünstigen Ausgangslage, in der ein besonders ausgeprägter Dauerkonflikt zwischen Konsum und Fahren droht. Wie ausgeführt ist davon auszugehen, dass er in der Vergangenheit sehr intensiv Cannabis konsumiert hat. Die verschriebene Menge von zweimal täglich 1 g Medizinal-Cannabis dürfte mindestens derjenigen entsprechen, die ein Freizeitkonsument mit sechs bis acht Joints aufnimmt. Sollte der Antragsteller entgegen der Verordnung weniger intensiv konsumiert haben, obläge es ihm, substantiiert dazu vorzutragen. Daran fehlt es. Ferner ist eine Änderung dieses Konsumverhaltens, wie dargelegt, bislang nicht belegt. Selbst wenn der THC-Gehalt im Blutserum bei einem solchen Konsum nicht durchgängig über dem seinerzeit geltenden Grenzwert von 1,0 ng/ml bzw. dem nunmehr geltenden Grenzwert von 3,5 ng/ml liegen sollte, dürften nach dem Vorstehenden jedenfalls nur kurze Zeitfenster der Fahrtüchtigkeit verbleiben. Schon deswegen bestehen erhebliche Zweifel an einem hinreichenden Trennvermögen. Ferner hat der Antragsteller sich gegenüber der Polizei im Straßenverkehr auf das Arzneimittelprivileg für Cannabispatienten berufen, was nahelegt, dass er selbst Zweifel daran hat.
b) Darüber hinaus verlangt eine hinreichende Trennung von Fahren und Cannabiskonsum auch eine entsprechende Bereitschaft, also insbesondere den Willen, das Verhalten am Straßenverkehr an dem geltenden Grenzwert bzw. den gebotenen Wartezeiten auszurichten. Hier weisen insbesondere das Handeltreiben mit Cannabis und der Besitz harter Drogen auf einen sehr sorglosen Umgang des Antragstellers mit Rauschmitteln und eine geringe Bereitschaft zur Einhaltung der Rechtsordnung hin. Daher bestehen auch an der Trennbereitschaft erhebliche Zweifel.
c) Nach Auffassung des Senats dürfen diese Bedenken jedenfalls im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung berücksichtigt werden. Darüber hinaus spricht einiges dafür, dass sie auch Zweifel sowie eine weitere Aufklärung nach § 13a Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV in der ab dem 22. August 2024 geltenden Fassung rechtfertigten, wenn der angegriffene Bescheid im Klageverfahren aufgehoben werden sollte (vgl. dazu Derpa in Hentschel/König, § 13a FeV Rn. 7 ff.).
d) Nach alldem ist anzunehmen, dass von dem Antragsteller während der Dauer des Hauptsacheverfahrens ein Sicherheitsrisiko ausgeht, das deutlich über demjenigen liegt, das allgemein mit der Zulassung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr verbunden ist. Daher muss er hinnehmen, bis auf Weiteres davon ausgeschlossen zu werden (vgl. dazu BVerfG, B.v. 20.6.2002 – 1 BvR 2062/96 – NJW 2002, 2378 = juris Rn. 51; BayVGH, B.v. 29.7.2021 – 11 CS 21.1527 – juris Rn. 23; B.v. 25.6.2007 – 11 CS 06.3165 – juris Rn. 28).”
Zitiert nach Bayern.Recht: https://rewis.io/service/linkgateway/1/gsg-04-02-2025-11-cs-241712/
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