Medizinalcannabis: Patienten aufgepasst! Cannabis immer nur wie verordnet einnehmen!
Leider erleben wir es nur allzu oft, dass Patienten, die seit langer zeit zuverlässig ihr Medizinalcannabis einnehmen und sich im Straßenverkehr bewährt haben in große Schwierigkeiten kommen, weil sie von der ärztlichen Verordnung abgewichen sind oder z.B. bei einer Polizeikontrolle anderen Angaben zur Einnahme gemacht haben, als im Rezept zu finden sind.
Was passiert, wenn ich Medizinalcannabis nicht wie vorm Arzt verordnet einnehme?
Ein Patient nimmt sein Medikament nur „bestimmungsgemäß“, wenn er sich peinlich genau an die ärztliche Verordnung hält! Eigene Abweichung sind ein „no-go“ und zu unterlassen!
Nichteignung aber bei nicht bestimmungsgemäßer Einnahme
Wer das Cannabis auf Rezept nicht so nimmt, wie der Arzt es verordnet hat, kann seinen Führerschein verlieren!
Erfolgt die ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis erst nach einem Verstoß gegen das Trennungsgebot in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, hat die Fahrerlaubnisbehörde zu prüfen, ob durch die Verordnung die Fahreignungszweifel ausgeräumt sind. Ggf. sind entsprechende Aufklärungsmaßnahmen einzuleiten.
Wird medizinisches Cannabis aber nicht entsprechend der ärztlichen Verordnung eingenommen, besteht nach Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV keine Fahreignung. Im Falle des Beigebrauchs von illegalem Cannabis (z.B. in Form eines Joints) oder fahreignungsrelevantem Mischkonsum mit Alkohol besteht bei Cannabispatienten ebenfalls keine Fahreignung.
Keine Fahreignung nach § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV
Wer sich nicht peinlich genau an die Vorgaben der ärztlichen Verordnung für die Einnahme des medizinischen Cannabis hält, verliert aber nach § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV seine Eignung. Bei Medizinalcannabis handelt es sich um ein verkehrsfähiges Betäubungsmittel i.S.d. Anlage III zu § 1 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG).
Das Gericht führt weiter dazu aus:
„Zwar entfällt bei der Einnahme von ärztlich verordnetem Medizinal-Cannabis die Fahreignung grundsätzlich nicht schon nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV wegen regelmäßigen Cannabiskonsums, wenn es sich um die bestimmungsgemäße Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels i.S.d. Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 (Begutachtungsleitlinien, VkBl. S. 110; Stand: 24.5.2018, die nach § 11 Abs. 5 FeV i.V.m.
Anlage 4a Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sind) handelt (sog. Arzneimittelprivileg, Dauer in Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 2 StVG Rn. 65; vgl. Laub, SVR 2017, 378, 379; vgl. SächsOVG, B.v. 6.5.2009 – 3 B 1/09 – Blutalkohol 2009, 296 = juris Rn. 5).
Insoweit definieren Nr. 9.4 und Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV speziellere Anforderungen für Eignungsmängel, die aus dem Gebrauch von psychoaktiven Arzneimitteln resultieren (vgl. Dauer a.a.O; Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Aufl. 2017, § 11 FeV Rn. 51; SächsOVG a.a.O. Rn. 5).
Nach Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV liegt keine Eignung vor bei missbräuchlicher Einnahme psychoaktiv wirkender Arzneimittel und anderer psychoaktiv wirkender Stoffe. Eine missbräuchliche Einnahme ist nach dem Wortlaut der Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV bei einem regelmäßigen übermäßigen Gebrauch anzunehmen. Regelmäßig ist hierbei jedoch nicht so zu verstehen wie in Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV, sondern es genügt, wenn der übermäßige Gebrauch nicht nur sporadisch vorkommt (vgl. Dauer a.a.O. Rn. 65). Ein übermäßiger Gebrauch kann z.B. bei einer Einnahme des Medikaments in zu hoher Dosis (vgl. Dauer a.a.O. Rn. 65) oder entgegen der konkreten Verschreibung angenommen werden (vgl. Laub a.a.O. S. 379), denn eine bestimmungsgemäße Einnahme eines Arzneimittels für einen konkreten Krankheitsfall i.S.d. Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien ist nur dann gegeben, wenn die Anwendung auf einer eindeutigen Verschreibung für eine symptombezogene Indikation beruht (vgl. Graw/Mußhoff, Blutalkohol 2016, 333).
(…)
Wird die ärztliche Verschreibung nicht eingehalten, handelt es sich nicht um einen bestimmungsgemäßen Gebrauch i.S.d. § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG und eine Fahrt unter Einfluss des Medikaments stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (vgl. König in Hentschel/König/Dauer a.a.O. § 24a StVG Rn. 22). Wird das Medikament zur Dauerbehandlung eingesetzt, wie es beim Kläger der Fall ist, wird voraussichtlich regelmäßig eine Teilnahme am Straßenverkehr unter Einfluss des medizinischen Cannabis erfolgen und der Kläger würde mit jeder Verkehrsteilnahme eine Ordnungswidrigkeit begehen. Es liegt auf der Hand, dass in einem solchen Fall keine Fahreignung besteht, sondern der Betreffende einem regelmäßigen Cannabiskonsument nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV gleichgestellt werden muss.“
Wer Medizinalcannabis als Joint raucht kann Führerschein verlieren
Wer Cannabis mittels Vaporisation und Inhalation einnehmen muss, darf das Arneimittel nicht als Joint verrauchen.
Nach der Ausarbeitung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Apothekerkammern und der Bundesapothekerkammer vom 2. März 2017 „Verordnung von Arzneimitteln mit Cannabisblüten, -extrakt und Cannabinoiden – Information für verschreibende Ärzte/innen“ (siehe dazu https://www.kbv.de) kann die Verordnung von medizinischem Cannabis nach neun Rezepturformeln erfolgen. Dabei können Cannabisblüten entweder zur Inhalation nach Verdampfung mittels Vaporisator oder zur Teezubereitung verordnet werden (NRF [= Neues Rezeptur-Formularium] 22.12 bis 22.15). Eine Verordnung zum Rauchen ist danach nicht möglich (vgl. auch Hoch/Friemel/Schneider, Cannabis – Potenzial und Risiko – Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme, S. 29 [abrufbar im Internet unter www.bundesgesundheitsministerium.de]; Mußhoff/Graw, Blutalkohol 2019, 73, 79).
Bei einem Rauchen als Joint entfällt die Privilegierung der bestimmungsgemäßen Einnahme eines psychoaktiv wirkenden Arzneimittels.
Immer auch an Dosierung halten und auf klare Verordnung achten
Das Rezept muss eine ganz klare Verordnung enthalten. Die Gebrauchsanweisung muss eindeutig auch für Außenstehende sein.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 der Verordnung über das Verschreiben, die Abgabe und den Nachweis des Verbleibs von Betäubungsmitteln vom 20. Januar 1998 (Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung – BtMVV, BGBl I S. 74), zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Juli 2018 (BGBl I S. 1078), ist auf dem Betäubungsmittelrezept die Gebrauchsanweisung mit Einzel- und Tagesgabe oder im Falle, dass dem Patienten eine schriftliche Gebrauchsanweisung übergeben wurde, ein Hinweis auf diese schriftliche Gebrauchsanweisung erforderlich. Auch aus der zitierten Ausarbeitung der Apothekerkammern geht hervor, dass bei der Verordnung von medizinischem Cannabis die Gebrauchsanweisung eindeutig sein muss und unklare Verordnungen nicht beliefert werden dürfen. Aus der Verordnung muss sich dabei auch die Anzahl der an einem Tag einzunehmenden Einzelgaben ergeben (vgl. zur Anzahl der an einem Tag einzunehmenden Tabletten Körner/Patzak/Volkmer, Betäubungsmittelgesetz, 9. Aufl. 2019, § 9 BtMVV Rn. 8).
Eine Verordnung ist nur dann klar und eindeutig, wenn man die Einzeldosis mit genauen Grammzahlen ersehen und die mögliche tägliche Anzahl der Einzelgaben bestimmbar ist.
Die Menge und Anzahl der Einzeldosis bzw. Gesamtmenge dürfen nicht (beliebig) dem Patienten überlassen werden.,
Konsum von Cannabis vor ärztlicher Verordnung führt nicht zwingend zum Verlust des Führerscheins
Der Verwaltungsgerichtshof in München hatte in einer Entscheidung vom 29.04.2019 nochmals klargestellt, dass auch nach einem zunächst illegalem Cannabiskonsum nach einer „Umstellung“ auf ärztlich verordnetes Medizinalcannabis eine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehen kann (vgl. VGH München, Beschluss v. 29.04.2019 – 11 B 18.2482).
Das Gericht hatte dazu angemerkt:
„Grundsätzlich erscheint es zwar in besonders gelagerten Fällen nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die durch vorherigen Cannabiskonsum nach Nr. 9.2.1 oder 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV entstandenen Fahreignungszweifel durch eine ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis ausgeräumt werden können oder die ggf. entfallene Fahreignung dadurch wiederhergestellt ist. Diese Frage ist von der Fahrerlaubnisbehörde auch regelmäßig im Entziehungsverfahren zu prüfen (vgl. OVG Saarl, B. v. 3.9.2018 – 1 B 221/18 – Blutalkohol 55, 448). Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Merkblatt des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom November 2015 den Fahrerlaubnisbehörden in Bayern zur Anwendung empfohlen oder verpflichtend gemacht worden ist. Denn es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. BayVGH, B. v. 21.1.2019 – 11 ZB 18.2066 – juris Rn. 24; B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – juris Rn. 20), dass im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren auch dem Betroffenen günstige Umstände zu berücksichtigen sind und daher die Wiedergewinnung der Fahreignung einer Entziehung der Fahrerlaubnis entgegensteht. Bei hinreichenden Anhaltspunkten für eine mögliche Wiedergewinnung der Fahreignung sind von der Fahrerlaubnisbehörde auch entsprechende Aufklärungsmaßnahmen einzuleiten.“
Wer also vor der ärztlichen Behandlung Cannabis ohne Rezept eingenommen hatte, muss nicht automatisch ungeeignet sein und seine Fahrerlaubnis verlieren.
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