Was passiert, wenn ich während einer „Ruheversicherung“ mit dem Auto fahre?
Kfz-Ruheversicherung in der Corona-Krise: Was passiert, wenn ich während einer „Ruheversicherung“ mit meinem Auto fahre?
Ruheversicherung bei Außerbetriebsetzung
Wird ein versichertes Fahrzeug außer Betrieb gesetzt und soll es zu einem späteren Zeitpunkt wieder zugelassen werden, wird dadurch der Vertrag nicht beendet (H.1.1. AKB 2015).
Der Vertrag geht dann in eine beitragsfreie Ruheversicherung über, wenn die Zulassungsbehörde der Versicherung die Außerbetriebsetzung mitteilt. Dies gilt nicht, wenn die Außerbetriebsetzung weniger als zwei Wochen beträgt oder die uneingeschränkte Fortführung des bisherigen Versicherungsschutzes verlangt wird (H.1.2 AKB 2015).
Freiwillige Ruheversicherung während der „Corona-Krise“
Bietet eine Versicherung nun z.B. während der „Corona-Krise“ auf entsprechende Bestätigung des Versicherungsnehmers, dass das versicherte Fahrzeug bis auf Weiteres nicht genutzt wird und auf einem umfriedeten Gelände abgestellt bleibt eine „Kulanz-Ruheversicherung“ z.B. für Gewerbetreibende an, gelten die Regelungen für die Ruheversicherung in den AKB 2015 entsprechend.
Versicherungsschutz während einer Ruheversicherung
Mit der beitragsfreien Ruheversicherung gewährt die Versicherung eingeschränkten Versicherungsschutz. Der Ruheversicherungsschutz umfasst
•die Kfz-Haftpflichtversicherung,
•die Teilkaskoversicherung, wenn für das Fahrzeug im Zeitpunkt der Außerbetriebsetzung eine Voll- oder eine Teilkaskoversicherung bestand.
Obliegenheiten des Versicherungsnehmers
Während der Dauer der Ruheversicherung ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, das Fahrzeug
•in einem Einstellraum (z.B. einer Einzel- oder Sammelgarage) oder
•auf einem umfriedeten Abstellplatz (z.B. durch Zaun, Hecke, Mauer umschlossen)
nicht nur vorübergehend abzustellen. Er darf das Fahrzeug außerhalb dieser Räumlichkeiten auch nicht gebrauchen (H.1.5 AKB 2015).
Obliegenheitsverletzung während Ruheversicherung
Verletzt der Versicherungsnehmer diese Pflichten, kann die Versicherung unter den Voraussetzungen nach D.2 leistungsfrei werden.
Die AKB 2015 dazu lauten:
“D.2
Welche Folgen hat eine Verletzung dieser Pflichten?
Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung
D.2.1
Verletzen Sie vorsätzlich eine Ihrer in D.1 geregelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungsschutz. Verletzen Sie Ihre Pflichten grob fahrlässig, sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Weisen Sie nach, dass Sie die Pflicht nicht grob fahrlässig verletzt haben, bleibt der Versicherungsschutz bestehen.
Bei einer Verletzung der Pflicht in der Kfz-Haftpflichtversicherung aus D.1.2 Satz 2 sind wir Ihnen, dem Halter oder Eigentümer gegenüber nicht von der Leistungspflicht befreit, soweit Sie, der Halter oder Eigentümer als Fahrzeuginsasse, der das Fahrzeug nicht geführt hat, einen Personenschaden erlitten haben.
D.2.2
Abweichend von D.2.1 sind wir zur Leistung verpflichtet, soweit die Pflichtverletzung weder für den Eintritt des Versicherungsfalls noch für den Umfang unserer Leistungspflicht ursächlich ist. Dies gilt nicht, wenn Sie die Pflicht arglistig verletzen.
Beschränkung der Leistungsfreiheit in der Kfz-Haftpflichtversicherung
D.2.3
In der Kfz-Haftpflichtversicherung ist die sich aus D.2.1 ergebende Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung Ihnen und den mitversicherten Personen gegenüber auf den Betrag von höchstens je xx Euro beschränkt.[1] Außerdem gelten anstelle der vereinbarten Versicherungssummen die in Deutschland geltenden Mindestversicherungssummen.
Satz 1 und 2 gelten entsprechend, wenn wir wegen einer von Ihnen vorgenommenen Gefahrerhöhung (§§ 23, 26 Versicherungsvertragsgesetz) vollständig oder teilweise von der Leistungspflicht befreit sind.
D.2.4
Gegenüber einem Fahrer, der das Fahrzeug durch eine vorsätzlich begangene Straftat erlangt (z.B. durch Diebstahl), sind wir vollständig von der Verpflichtung zur Leistung frei.”
Obliegenheitsverletzung bei Fahrt während Ruheversicherung
Nach den AKB darf das Fahrzeug nur zum vereinbarten Vertragszweck genutzt werden. Gem. D.1. AKB 2015 liegt eine Obliegenheitsverletzung vor, wenn das Fahrzeug zu einem anderen als dem im Antrag angegebenen Zweck verwendet wird (Verwendungsklausel). Eine solche Obliegenheitsverletzung vor dem Eintritt des Versicherungsfalles kann zur Leistungskürzung bis hin zur Leistungsfreiheit führen.
Allerdings ist in der Kfz-Haftpflichtversicherung die sich aus D.2.1 AKB 2015 ergebende Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung gegenüber dem Versicherungsnehmer und den mitversicherten Personen gegenüber auf einen vereinbarten Höchstbetrag beschränkt. Gem. § 5 Abs. 3 KfzPflVV darf die Leistungsfreiheit höchstens auf 5.000 Euro beschränkt werden.
Regress bei Obliegenheitsverletzung auch in der Kfz-Haftpflichtversicherung
Im Fall einer grob schuldhaften Obliegenheitsverletzung vor Eintritt des Versicherungsfalls ist gem. D.2.3 AKB 2015 ist bei der Kfz-Haftpflichtversicherung die Leistungsfreiheit gegenüber dem Versicherungsnehmer und mitversicherten Personen gegenüber auf höchstens 5.000 EUR beschränkt. Diese Regelung entspricht den Vorgaben des § 5 Abs. 3 S. 1 KfzPflVV.
Versicherungsschutz gegenüber Dritten besteht fort
Die bei einer Obliegenheitsverletzung durch Fahrt auf öffentlichen Wegen während einer Ruheversicherung bestehende Leistungsfreiheit des Versicherers bei einem Leistungsfall wirkt nur im Innenverhältnis. Gegenüber einem geschädigten Dritten bleibt der Versicherer aufgrund der Ruheversicherung leistungspflichtig (§ 117 Abs. 1 VVG).
Wichtig:
Eine Leistungsfreiheit im Innenverhältnis wirkt sich bei der Kfz-Haftpflichtversicherung nicht auf das Verhältnis zum geschädigten Dritten aus. Auch wenn der Versicherer im Innenverhältnis leistungsfrei ist, bleibt der Direktanspruch des Geschädigten nach §§ 115 Abs. 1, 117 Abs. 1 VVG grundsätzlich unberührt. Zahlt die Versicherung bei Inanspruchnahme durch den Geschädigten an diesen, so kann sie anschließend beim Versicherungsnehmer, der neben der Versicherung nach § 115 Abs. 1 S. 4 VVG als Gesamtschuldner haftet, nach § 426 Abs. 1 BGB, § 116 Abs. 1 S. 2 VVG Regress nehmen. Der Regress ist allerdings beschränkt auf höchstens 5.000 EUR.
Strafbarkeit bei Fahrt mit einem Fahrzeug während einer Ruheversicherung?
Besteht eine sog. Ruheversicherung, bedeutet dies, dass für das Kfz durchgehend ein Versicherungsvertrag besteht.
Hieraus folgert die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass die Benutzung eines Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr mit einem Saisonkennzeichen außerhalb des ausgewiesenen Betriebszeitraums nicht nach § 6 PflichtVG strafbar ist.
Selbst die mit der Abmeldung des Fahrzeugs einhergehende Entstempelung des Kennzeichens führt für sich genommen (noch) nicht dazu, dass der Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag nicht oder nicht mehr besteht. Das Versicherungsverhältnis kann als sog. „Ruheversicherung“ fortbestehen, mit der Folge, dass der Versicherungsschutz im Außenverhältnis nicht entfällt und einem Geschädigten ein Schadenersatzanspruch gegen den Haftpflichtversicherer zustehen kann. Der Gebrauch des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen erfüllt dann nicht den Tatbestand des § 6 PflVG (Verstoß gegen Pflichtversicherungsgesetz).
Eine Strafbarkeit nach § 6 I PflVG setzt auch nach einer Entscheidung Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 16.06.2017 – Aktenzeichen 1 Ss 115/17 – abgedruckt auch in SVR 2017, 433, voraus, dass der Versicherungsvertrag entweder “nicht abgeschlossen oder durch Kündigung, Rücktritt, Anfechtung oder in anderer Weise aufgelöst wurde.” Alleine die Abmeldung des Kfz führt nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes. Das OLG Oldenburg hat damit eine Entscheidung des BayObLG aus dem Jahr 1993 bestätigt (BayObLG, Urteil vom 21.05.1993 – 1 St RR 19/93).
Der Tatbestand des § 6 I PflVG setzt den Gebrauch eines Fahrzeugs – oder dessen Gestattung – auf öffentlichen Wegen oder Plätzen ohne zivilrechtlich wirksamen Haftpflichtversicherungsvertrag voraus. Es kommt aber nicht allein auf das Bestehen eines Haftpflichtversicherungsschutzes an, sondern darauf, ob dieser Schutz auf Grund eines während des Gebrauchs des Fahrzeugs wirksam bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrages gewährt ist.
Maßgebend ist demnach, ob zum Zeitpunkt des Fahrzeuggebrauchs ein Versicherungsvertrag besteht, der seinem Inhalt nach gegenüber einem geschädigten Dritten die in § 1 PflVG genannten Risiken im Umfang des § 4 PflVG deckt. Bei einer Abmeldung des Kfz kann also weiterhin ein Haftpflichtversicherungsschutz im Rahmen einer sog. „Ruheversicherung“ bestehen. Dann ist eine Strafbarkeit nach § 6 PflVG ausgeschlossen. Denn ein solcher Ruhevertrag ist ein Vertrag im Sinne des § 6 PflVG, da er die Haftpflichtrisiken des § 1 PflVG umfassend abdeckt (vgl. BayObLG, Urteil vom 21. Mai 1993 – 1 St RR 19/93 .) –
Fazit: Besteht eine sog. Ruheversicherung, die die Haftpflichtrisiken des § 1 PflVG umfassend abdeckt, liegt kein strafbarer Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz vor.
Die nach § 5 II 2 AKB bestehende Verpflichtung, das versicherte Fahrzeug nicht außerhalb des Einstellraums zu gebrauchen, stellt eine vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllende Obliegenheit dar, die sich nur auf das vertragliche Innenverhältnis des Versicherers zu dem Versicherungsnehmer und den Mitversicherten bezieht. Die bei einer solchen Obliegenheitsverletzung bestehende Leistungsfreiheit wirkt demnach nur im Innenverhältnis; gegenüber geschädigten Dritten bleibt in jedem Fall die Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers auf Grund des Ruhevertrages nach § 5 II 1 AKB, § 3 Nrn. 1 und 4 PflVG bestehen. Der Umstand, dass der Versicherer nach § 3 Nr. 9 PflVG eine Rückgriffsmöglichkeit hat, berührt den auf Grund eines bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrages abgesicherten Schutz eines geschädigten Dritten nicht.
Auch die Verletzung einer Obliegenheitspflicht im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses kann daher eine Strafbarkeit nach § 6 I PflVG nicht begründen.
Ende der Ruheversicherung
Nach H.1.7 erlöscht der Versicherungsvertrag und damit die Ruheversicherung automatisch, wenn seit der Außerbetriebsetzung ein vom Versicherer festgelegter Zeitraum (marktüblich sind 18 Monate) verstrichen ist, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass es 1,5 Jahre nach der Außerbetriebsetzung eines Fahrzeugs wenig wahrscheinlich ist, dass das Fahrzeug noch vorhanden ist.
Wird von der Versicherung „freiwillig“ als besondere Leistung z.B. während der Corona-Krise für einen bestimmten Zeitraum eine „Ruheversicherung“ angeboten, wird diese nach Ablauf regelmäßig wieder enden und das Versicherungsverhältnis wird zu den ursprünglichen Bedingungen fortgesetzt. Regelmäßig wird schon im Angebot der Versicherung der Zeitraum einer freiwilligen „Ruheversicherung“ klar angegeben sein. Hier empfiehlt es sich aber, die jeweiligen Vereinbarungen mit dem Versicherungsunternehmen zu prüfen.
Bei Fragen rund um das Thema Versicherungsrecht, stehen wir Ihnen gerne zur Seite.
Melden Sie sich bundesweit bei unserem Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht!
Aktuelle Beiträge
Angebot: Repräsentative Büroräume in zentraler Lage in Rosenheim zur Untermiete
Exklusive Bürogemeinschaft in Rosenheim für Rechtsanwälte und Steuerberater (m/w/d) Repräsentative Büroräume in zentraler Lage zur Untermiete Wir bieten...
Wie verhalte ich mich richtig nach einem Verkehrsunfall?
Ein Verkehrsunfall ist immer eine Stresssituation. Entsprechend schwer fällt es Unfallbeteiligten, einen kühlen Kopf zu bewahren und besonnen zu handeln. Da...