Betriebsschließung – Ihre Versicherung zahlt nicht?
Zahlt Ihre Betriebsschließungsversicherung nicht? Was tun, wenn die Betriebsschließungsversicherung nicht zahlt?
Sie sind Gastwirt und Ihr Lokal ist geschlossen? Oder Sie sind im Einzelhandel tätig und Sie mussten während der Corona-Krise Ihren Laden schließen? Ihre Versicherung zahlt nicht?
Viele unserer Mandanten haben zur Existenzabsicherung bei einer Unterbrechung / Schließung des Betriebes eine Betriebsschließungsversicherung bzw. eine Betriebsunterbrechungsversicherung. So zumindest war es bei Abschluss der Versicherung angedacht. Doch wann zahlt eine solche Versicherung? Und was tun, wenn die Betriebsschließungsversicherung nicht bezahlen möchte?
Oft Probleme bei Corona-bedingter Betriebsschließung
Leider gibt es regelmäßig Schwierigkeiten bei der Abwicklung von Versicherungsfällen wegen einer durch Corona bedingten Betriebsschließung. Oft berufen sich die Versicherer darauf, eine Betriebsschließung aufgrund infektionsgesetzlicher Maßnahmen sei gar nicht versichert.
Sie berufen sich oft auf Klauseln im Kleingedruckten der Betriebsschließungsversicherung. Dort sind oft z.B. die Krankheitserregern, deren Auswirkungen versichert werden nur eingegrenzt angegeben. In all diesen Policen ist das “Corona-Virus” Covid-19 (SARS-CoV-2) natürlich noch nicht berücksichtigt. Viele Selbständige sind dann nach der ablehnenden Antwort des Versicherers schockiert!
Wann zahlt eine Betriebsunterbrechungsversicherung ?
Etwas anderes gilt bei bei einer Versicherung für den Fall von “Betriebsschließung”. Durch eine Betriebsschließungsversicherung sichert sich der Versicherte grundsätzlich für solche Fälle ab, wie wir Sie derzeit gerade erleben. Versichert soll gerade eine zeitlich nicht absehbare Schließung des Betriebes im Zuge von Eindämmungsversuchen bezüglich einer Krankheit sein. Entscheidend kann in diesem Zusammenhang sein, dass die Schließung von außerhalb des Betriebes, also durch eine Behörde angewiesen wird. So wie etwa aktuell durch die Behörden in Bayern und anderen Bundesländern.
Bei der Abwicklung des Versicherungsfalles wird dann aber oft von der Versicherung in Abrede gestellt, dass die Betriebsschließungsversicherung auch bei einer Schließung des Betriebes durch Corona-Maßnahmen der Behörden zahlen muss. In vielen Versicherungsverhältnissen geht es um innere Ereignisse im Betrieb wie der Ausbruch von Krankheiten durch Salmonellen oder Noroviren sowie behördlich verfügte Schließungen einzelner Betriebe. Die Versicherungen berufen sich dann darauf, dass ein flächendeckender Shutdown nach ihrer Auslegung der Bedingungen nicht versichert sei.
Bedingungen müssen für Kunden klar verständlich sein
Die Versicherungsbedingungen müssen aber klar und verständlich sein. Es kommt nicht darauf an, wie die Versicherung ihre Bedingungen versteht und auslegt. Vielmehr ist maßgeblich, wie ein durchschnittlicher Versicherungskunde die Bedingungen versteht bzw. verstehen muss. So können sich die Versicherungen u. E. nicht auf komplizierte Spezialklauseln berufen und Leistungen versagen, die nach allgemeiner Lesart dem Versicherten zustehen.
Ein Urteil des LG München I vom 01.10.2020, Aktenzeichen 12 O 5895/20 führt dazu aus:
“Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung entsprechend den Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse auszulegen, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufmerksam liest sowie vollständig unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges würdigt. Dabei kommt es auf den betreffenden Versicherungszweig an. Spricht der Versicherungsvertrag üblicherweise einen bestimmten Personenkreis an, so kommt es auf die Verständnismöglichkeiten und Interessen der Mitglieder dieses Personenkreises an. Maßgeblich für die Auslegung ist in erster Linie der Klauselwortlaut. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind dabei „aus sich heraus“, also ohne Heranziehung anderer Texte, auszulegen. Die vom Versicherer verfolgten Zwecke sind maßgeblich, sofern sie in den Ausdruck gefunden haben, sodass sie dem aufmerksamen und verständigen Durchschnittsversicherungsnehmer erkennbar sind. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (st. Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 22.01.2020, Az: IV ZR 125/18; BGH, Urteil vom 06.03.2019, Az.: IV ZR 72/18).
Betriebsschließungsversicherungen werden von gewerblich tätigen Versicherungsnehmern abgeschlossen, insbesondere von Betrieben, die mit der Lebensmittelherstellung oder -verarbeitung zu tun haben (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 IfSG). Bei solchen Unternehmen besteht die Gefahr, dass eine Behörde den Betrieb aufgrund von Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) schließt. Dabei handelt es sich regelmäßig um Betriebe, die einen kaufmännisch eingerichteten Gewerbebetrieb erfordern, weshalb man von den Inhabern oder Geschäftsführern jeweils entsprechende kaufmännische Kenntnisse und Sorgfalt bei dem Durchlesen eines Vertragsformulars erwarten kann. Im Regelfall besitzen die Inhaber oder Geschäftsführer dieser Betriebe jedoch keine vertieften Kenntnisse medizinischer oder rechtlicher Art im Zusammenhang mit dem Inhalt des IfSG.”
“Bayerischer Kompromiss”
In Bayern hat das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie am 3. April 2020 versucht in einer gemeinsamen Initiative für Hotel- und Gaststättenbetreiber mit der Haftpflichtkasse VV. a. G., der Versicherungskammer Bayern und der Allianz Versicherungs-AG, der Haftpflichtkasse Darmstadt sowie der vbw und dem DEHOGA Bayern einen Kompromiss für eine schnelle Lösung zu finden. Wegen der Unklarheiten bei vielen Gastwirten wurde zwischenzeitlich eine Vereinbarung zwischen dem Wirtschaftsministerium, Versicherern und dem Hotel- und Gaststättenverband geschlossen. Danach zahlen die genannten Versicherer ihren Kunden aus Gastronomie und Hotellerie „freiwillig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht” 10 bis 15 Prozent der jeweils vereinbarten Entschädigung.
Wichtig: keine verbindliche Wirkung für jeden einzelnen
Diese Vereinbarung ist aber nur als Empfehlung gedacht. Sie besitzt keine allgemeine Verbindlichkeit. Niemand soll durch die Vereinbarung an sich einen Nachteil haben. Es sollen angeblich nur die Betriebe einen Vorteil haben, die vermutlich leer ausgegangen wären. Das “Angebot nach der Vereinbarung” kann – solange es noch keine “Musterurteile” gibt – eine sinnvolle zusätzliche Option für Betriebe sein, wenn
- der Betrieb ohne lange juristische Auseinandersetzung auf die Zahlung angewiesen ist und ansonsten ggf. insolvent wäre
- die Versicherung abgelehnt hat und keine Klage eingereicht werden soll
- es fraglich ist, ob überhaupt entsprechender Versicherungsschutz besteht.
Achtung: keine Betriebsschließung bei “TO-GO” und Lieferservice
Vorsichtig bei der Beurteilung der Sachlage muss man sein, wenn das betroffene Geschäft noch teilweise den Betrieb durch Abhol- bzw. Lieferservice aufrecht erhalten konnte. Von behördlicher Seite sind zudem ja für die meisten Betriebe keine vollständigen Schließungen angeordnet worden. Das Außerhausgeschäft (“TO-GO”) und der Lieferservice in der Gastronomie bzw. die Unterbringung von Geschäftsreisenden in der Hotellerie sind / waren grundsätzlich nach wie vor möglich. Hier gilt es daher zu prüfen, ob wirklich eine vollständige Schließung vorlag bzw. vorliegt. Ein “Nottätigkeit” von untergeordneter Bedeutung dürfte dabei aber nicht zu berücksichtigen sein! So wurde es auch vom Landgericht München I im Urteil vom 01.10.2020, Az. 12 O 5895/20 bestätigt!
Immer Rechtsanwalt für Versicherungsrecht Versicherungsschutz im Einzelfall prüfen lassen!
Wir empfehlen Ihnen immer den Versicherungsschutz Ihrer Betriebsschließungsversicherung von einem auf Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Maßgeblich ist immer das, was konkret in Ihrem Versicherungsverhältnis vereinbart wurde und geregelt ist. Daher kommt es immer auf den Einzelfall an.
Unsere Rechtsanwälte prüfen daher immer individuell anhand Ihrer Versicherungsunterlagen und konkreten Versicherungsbedingungen, ob bei Ihnen Versicherungsschutz aus der Betriebsschließungsversicherung besteht! Sollten Sie nicht alle Unterlagen und Bedingungen haben, fordern wir diese für Sie bei Ihrer Versicherung an. Nur dann ist eine präzise Prüfung Ihrer Ansprüche möglich.
Sollte Ihnen schon ein Angebot der Versicherung vorliegen, prüfen wir dieses sorgfältig für Sie uns sprechen eine Empfehlung aus!
Auf jeden Fall sollten Sie bei Problemen mit Ihrer Betriebsschließungsversicherung oder Betriebsunterbrechungsversicherung oder vor Annahme eines Abfindungsangebotes kompetenten Rechtsrat einholen!
Immer mehr aktuelle Urteile gegen Versicherer
Es ergehen immer mehr Urteile, in denen Versicherer zur Zahlung verurteilt werden. So hat das Landgericht München I, 12. Zivilkammer erst am 01.10.2020 eine Versicherung zur Zahlung von über 1 Mio. EUR verurteilt. Das Gericht hat sich mit den meisten Argumenten der Versicherer auseinandergesetzt und dem Versicherungsnehmer Recht gegeben.
Lesen Sie hier auch einen Bericht im Versicherungsjournal!
Aber auch dieses Urteil des LG München I vom 01.10.2020, Az. 12 O 5895/20 zeigt, dass es immer auf den jeweiligen Einzelfall und die Versicherungsbedingungen ankommt!
Melden Sie sich daher am besten gleich hier bei unseren Rechtsanwälten und Fachanwalt für Versicherungsrecht!
Dr. Marc Herzog, LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht
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