
Einziehung von Taterträgen auch im Jugendstrafrecht nach § 73c StGB zwingend
Einziehung von Taterträgen im Jugendstrafrecht – Entscheidung des Großen Senats des BGH
Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) hat in einem richtungsweisenden Beschluss (Beschluss vom 20. Januar 2021 – GSSt 2/20) klargestellt, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c StGB) auch im Jugendstrafrecht zwingend anzuordnen ist und nicht im Ermessen des Gerichts steht. Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für jugendliche Straftäter und zeigt, dass auch im Jugendstrafrecht das Prinzip der Vermögensabschöpfung konsequent angewendet wird.
Worum ging es in der Entscheidung?
Ein Heranwachsender war wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung und mehrerer Betrugstaten zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Durch die Taten hatte er einen Betrag von etwa 17.000 Euro erbeutet. Das Landgericht München II hatte jedoch von der Einziehung dieses Betrags abgesehen, da der Täter mittlerweile mittellos war und eine solche Maßnahme seine Resozialisierung gefährden könnte.
Die Staatsanwaltschaft legte gegen diese Entscheidung Revision ein, da sie der Ansicht war, dass die Einziehung auch im Jugendstrafrecht zwingend erfolgen müsse. Der BGH musste klären, ob das Gericht bei jugendlichen Straftätern von der Einziehung absehen kann oder ob die Regelungen zur Vermögensabschöpfung auch hier strikt anzuwenden sind.
Die Entscheidung des BGH
Der Große Senat für Strafsachen entschied, dass auch im Jugendstrafrecht die Einziehung des Wertes von Taterträgen nicht im Ermessen des Tatgerichts steht. Die wichtigsten Punkte der Entscheidung:
- Keine Ermessensentscheidung im Jugendstrafrecht
- Die Einziehung nach § 73c StGB ist zwingend anzuordnen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
- Eine abweichende Entscheidung ist nicht zulässig, auch wenn dies im Einzelfall als erzieherisch sinnvoller angesehen würde.
- Jugendstrafrecht und Vermögensabschöpfung
- Auch für jugendliche und heranwachsende Straftäter gilt der Grundsatz, dass deliktisch erlangte Vermögensvorteile nicht behalten werden dürfen.
- Dies entspricht dem Prinzip der „positiven Generalprävention“, nach dem die Gesellschaft darauf vertrauen können muss, dass Straftaten sich nicht lohnen.
- Härtefallregelung erst im Vollstreckungsverfahren
- Während früher das Gericht bereits im Urteil über eine Härtefallregelung entscheiden konnte, wurde diese Möglichkeit nun ins Vollstreckungsverfahren (§ 459g Abs. 5 StPO) verlagert.
- Das bedeutet, dass die Einziehung zwar zwingend angeordnet werden muss, die tatsächliche Vollstreckung aber später ausgesetzt werden kann, wenn eine unzumutbare Härte vorliegt.
- Keine Kollision mit dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts
- Der BGH stellte klar, dass die zwingende Einziehung nicht im Widerspruch zum Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts steht.
- Vielmehr könne der Jugendrichter im Vollstreckungsverfahren darauf achten, dass keine unbillige Härte entsteht.
Was bedeutet diese Entscheidung für Betroffene?
Die Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen für jugendliche und heranwachsende Straftäter:
- Vermögensabschöpfung ist unvermeidbar: Selbst wenn der Täter keine finanziellen Mittel mehr besitzt, muss die Einziehung angeordnet werden.
- Schuldlosigkeit schützt nicht vor der Einziehung: Auch wenn der Täter das Geld nicht mehr hat, bleibt die Forderung bestehen.
- Verschiebung der Härtefallregelung: Einzelfallgerechte Lösungen sind nun erst im Vollstreckungsverfahren möglich, nicht schon im Urteil.
Wie können wir Ihnen bei Einziehung helfen?
Als bundesweit tätige Kanzlei für Strafrecht und Jugendstrafrecht beraten und vertreten wir Mandanten in allen Fragen rund um die Vermögensabschöpfung und Einziehung im Strafverfahren. Wir helfen Ihnen:
- Prüfung der Einziehungsentscheidung: Wir analysieren, ob die Einziehung rechtlich korrekt erfolgte.
- Vertretung im Vollstreckungsverfahren: Wir setzen uns für die Aussetzung oder Reduzierung der Einziehung ein, wenn eine unzumutbare Härte vorliegt.
- Strategieentwicklung für jugendliche Mandanten: Wir erarbeiten maßgeschneiderte Lösungen, um die langfristigen Folgen zu minimieren.
Wenn Sie oder Ihr Angehöriger von einer Einziehung im Jugendstrafrecht betroffen sind, nehmen Sie frühzeitig Kontakt mit uns auf. Unsere Fachanwälte stehen Ihnen bundesweit zur Verfügung.
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