
Cannabis im Straßenverkehr: Freispruch wegen geänderter Grenzwerte
Entscheidung zum Cannabis im Straßenverkehr: Neuregelung mit den geänderten Grenzwerten von 3,5 ng/ml gilt rückwirkend!
Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat mit Beschluss vom 10.10.2024 (Az. 202 ObOWi 989/24) eine wegweisende Entscheidung getroffen. Ein Autofahrer, der unter Cannabiseinfluss mit einem THC-Wert von 2,1 ng/ml unterwegs war und ursprünglich eine Geldbuße sowie ein Fahrverbot erhalten hatte, wurde in der zweiten Instanz freigesprochen. Grund dafür ist die zum 22.08.2024 geänderte Gesetzeslage, die einen neuen THC-Grenzwert von 3,5 ng/ml im Straßenverkehr einführt.
Diese Entscheidung zeigt, dass die Neuregelung rückwirkend angewendet werden kann – mit erheblichen Auswirkungen für Betroffene. Doch Vorsicht: Die neue Gesetzeslage bringt auch neue Risiken mit sich, insbesondere für Fahranfänger. Wir erklären die Hintergründe und geben wertvolle Tipps.
Was war passiert?
Der Betroffene wurde am 30.07.2023 gegen 22:53 Uhr, also noch vor Inkrafttreten der Neuregulung zu § 24a StVG von der Polizei kontrolliert. Er hatte Cannabis konsumiert und wies einen THC-Wert von 2,1 ng/ml im Blut auf. Die Beamten stellten zudem drogentypische Auffälligkeiten wie verlangsamte Reaktionen, Zittern, Augenlid-Flattern und gerötete Augen fest.
Das Amtsgericht Sonthofen verurteilte den Mann nach der damals geltenden Rechtslage wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG zu einer Geldbuße von 500 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot. Der Betroffene legte daraufhin Rechtsbeschwerde ein.
Was hat das BayObLG entschieden?
Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und sprach den Betroffenen frei. Die Begründung:
- Neue Gesetzeslage seit 22.08.2024:
- Seit Inkrafttreten der neuen Regelung gilt für THC ein höherer Grenzwert von 3,5 ng/ml (statt zuvor 1,0 ng/ml).
- Da der Betroffene lediglich 2,1 ng/ml THC im Blut hatte, fällt er nicht mehr unter den Bußgeldtatbestand des § 24a StVG.
- Rückwirkende Anwendung des milderen Gesetzes:
- Nach § 4 Abs. 3 OWiG muss stets das mildeste Gesetz angewandt werden, wenn sich die Rechtslage nach der Tat ändert.
- Da die Tat nun nicht mehr sanktionierbar ist, war ein Freispruch zwingend.
- Keine Verurteilung nach § 24c StVG für Fahranfänger:
- Theoretisch könnte für Fahranfänger noch eine Sanktion nach § 24c StVG (Cannabisverbot für Fahranfänger) infrage kommen.
- Doch in diesem Fall war die Verfolgungsverjährung bereits eingetreten, sodass auch hier keine Sanktionen mehr möglich waren.
Was bedeutet das für Betroffene?
Die Entscheidung ist ein klarer Hinweis darauf, dass viele frühere Verurteilungen wegen Fahrens unter Cannabiseinfluss rechtlich überprüft werden sollten.
Wer vor dem 22.08.2024 mit THC-Werten unter 3,5 ng/ml verurteilt wurde, kann unter Umständen eine Aufhebung des Urteils oder eine Milderung der Strafe erreichen.
Aber Achtung:
- Fahranfänger sind weiterhin stärker betroffen! Wer sich in der Probezeit befindet oder unter 21 Jahre alt ist, unterliegt weiterhin dem Cannabisverbot des § 24c StVG, unabhängig vom Grenzwert.
- Strenge Auslegung der neuen Regelung: Auch wenn der Grenzwert bei 3,5 ng/ml liegt, bedeutet dies nicht, dass jede THC-Konzentration darunter automatisch harmlos ist. Eine MPU oder weitere Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde können dennoch drohen.
Unsere Empfehlungen – Wie können wir Ihnen helfen?
Als bundesweit tätige Kanzlei für Fahrerlaubnisrecht, Cannabisrecht, Verkehrsrecht und Strafrecht prüfen wir Ihre rechtlichen Möglichkeiten und vertreten Sie bei Verfahren wegen Cannabiskonsum im Straßenverkehr. Wir helfen Ihnen:
✔ Überprüfung alter Urteile: Wurden Sie vor dem 22.08.2024 wegen eines niedrigen THC-Wertes verurteilt? Wir prüfen, ob ein Antrag auf Aufhebung der Sanktion Erfolg haben kann.
✔ Rechtliche Verteidigung bei laufenden Verfahren: Sollte gegen Sie noch ein Verfahren laufen, können wir argumentieren, dass die neue Rechtslage zu einem Freispruch führen muss.
✔ MPU-Vermeidung: Auch wenn keine Strafe mehr droht, kann eine MPU angeordnet werden. Wir beraten Sie zu den besten Strategien, um Ihren Führerschein zu behalten.
✔ Beratung für Fahranfänger: Wir erklären Ihnen, welche Regeln speziell für Fahranfänger weiterhin gelten und wie Sie sich vor Fahrverboten schützen.
Wenn Sie unsicher sind, ob Ihre Führerscheinakte noch belastende Einträge enthält oder ob Sie betroffen sein könnten – kontaktieren Sie uns!
Wir helfen Ihnen schnell, kompetent und bundesweit.
Aktuelle Beiträge
Drecksfotze“, „Schlampe“, „Drecksau“ – Beleidigungen im Netz – Wann ist die Grenze zur Strafbarkeit überschritten?
Wann ist eine Beleidigung strafbar? - Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Beleidigungen Beleidigungen im Internet sind ein brisantes...
EncroChat-Daten auch bei Cannabishandel weiterhin verwertbar
BGH-Urteil zur Verwertbarkeit von EncroChat Daten mit Auswirkungen auf den Handel mit Cannabis Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 30. Januar...