
Wann darf ein Arzt Medizinalcannabis verschreiben?
Wann darf ein Arzt Medizinalcannabis verschreiben?
Bei Medizinalcannabis handelt es sich nach aktueller Rechtslage nicht mehr um ein Betäubungsmittel i.S.d. Betäubungsmittelgesetzes (BtMG).
Seit März 2017 haben Patienten mit einer schwerwiegenden Erkrankung unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit Cannabis auf Rezept verordnet zu bekommen. Jeder Haus- und Facharzt darf getrocknete Cannabisblüten und -extrakte sowie Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon verordnen.
Verstoß gegen § 13 BtMG ist eine Straftat
Das Verschreiben von Betäubungsmitteln entgegen § 13 Abs. 1 BtMG ist gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a BtMG strafbewehrt. Bei einem hinreichendem Tatverdacht gegen den Arzt kann die Staatsanwaltschaft auf richterliche Anordnung die Arztpraxis durchsuchen (§§ 102, 105 Abs. 1 StPO) und auch nach Maßgabe von §§ 94 ff. StPO unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots Patientenakten beschlagnahmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 – 2 BvR 1027/02 – BVerfGE 113, 29; Kammerbeschluss vom 29. Juli 2002 – 2 BvR 708/02 – juris).
Zusätzlich stehen berufsrechtliche Konsequenzen (Entzug der Kassenzulassung, Entzug der Approbation etc.) im Raum.
Kein Ultima-Ratio-Prinzip bei Cannabis nach § 13 BtMG
Medizinalcannabis durfte nach alter Rechtslage als verkehrs- und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel im Sinne der Anlage III zu 1 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) nach § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 BtMG nur dann ärztlich verschrieben, verabreicht oder überlassen werden, wenn die Anwendung am oder im Körper begründet ist. Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann.
Betäubungsmittel durften also immer nur die ultima ratio darstellen.
Kamen andere Maßnahmen in Betracht, die zur Erreichung des Ziels geeignet sind, wie eine Änderung der Lebensweise, physiotherapeutische Behandlungen, eine Psycho- oder Verhaltenstherapie oder die Anwendung nicht den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegender Arzneimittel, war diesen der Vorrang zu geben (BayVGH, Beschluss vom 22.08.2022 – 11 CS 22.1202).
Aktuelle Rechtslage (seit Cannabisgesetz 2023)
Nach aktueller Rechtslage (Stand 2025) gilt das sogenannte Ultima-Ratio-Prinzip bei Medizinalcannabis nicht mehr in der zuvor beschriebenen strengen Form.
Seit dem Cannabisgesetz (CanG) von 2023 ist Cannabis nicht mehr im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) erfasst. Cannabis wurde vollständig aus dem Anwendungsbereich des BtMG herausgelöst und in ein eigenständiges Gesetz (Cannabisgesetz – CanG) überführt. Das bedeutet insbesondere:
- Cannabis ist kein Betäubungsmittel mehr im Sinne des BtMG.
- Medizinisches Cannabis unterliegt nun vollständig dem Cannabisgesetz (CanG) sowie arzneimittelrechtlichen Vorschriften (Arzneimittelgesetz – AMG).
- Die früher strenge „Ultima-Ratio“-Regel aus § 13 Abs. 1 BtMG findet keine Anwendung mehr.
Medizinisches Cannabis nach aktueller Rechtslage (CanG):
- Cannabis (medizinisch) ist jetzt ein reguläres verschreibungsfähiges Arzneimittel nach dem Arzneimittelgesetz (AMG).
- Es bedarf keiner spezifischen BtM-Rezepte mehr, sondern einer ärztlichen Verschreibung nach AMG-Vorgaben.
- Entscheidend ist allein die medizinische Indikation, d. h., dass Cannabis ärztlich verordnet werden kann, wenn dies therapeutisch sinnvoll erscheint.
- Es existiert keine gesetzliche Vorgabe mehr, nachzuweisen, dass andere Therapien ausgeschöpft sein müssen („keine Ultima-Ratio-Regelung“ mehr).
Folge dieser Änderung:
- Ärzte haben mehr Therapiefreiheit.
- Patienten haben erleichterten Zugang zu Cannabisarzneimitteln.
- Der bürokratische Aufwand (insbesondere BtM-Rezepte) ist weggefallen.
Gründliche Dokumentation nötig
Im Lichte der oben zitierten Rechtsprechung sollte auch weiterhin in dem Attest daher immer kritisch geprüft und dokumentiert werden, dass andere Maßnahmen, die zur Erreichung des Behandlungsziels geeignet sind, wie z.B. eine Änderung der Lebensweise, physiotherapeutische Behandlungen, eine Psycho- oder Verhaltenstherapie oder die Anwendung nicht den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegender Arzneimittel bei dem Patienten nicht in Betracht kommen.
Wenn diese Voraussetzungen so auch tatsächlich vorliegen und ggf. im Rahmen eines medizinischen Gutachtens / einer ärztlichen Stellungnahme konkret und plausibel dargelegt werden können, kann und sollte eine Bestätigung im Attest erfolgen.
Es handelt sich immer noch um ein sehr sensibles Thema, so dass der Arzt besonders sorgsam verhalten und dokumentieren sollte, um sich nicht auch noch gegenüber Dritten für seine Verschreibung rechtfertigen zu müssen.
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