Ein Verkehrsunfall ist immer eine Stresssituation. Entsprechend schwer fällt es Unfallbeteiligten, einen kühlen Kopf zu bewahren und besonnen zu handeln. Da im Ernstfall jede Sekunde zählt, lohnt es sich, optimal vorbereitet zu sein.
Dieses Merkblatt soll ein durchdachtes Vorgehen skizzieren, mit dem Sie sich selbst und andere schützen können, den rechtlichen Verpflichtungen als Unfallbeteiligter gerecht werden sowie späteren Problemen bei der Schadensregulierung vorbeugen.
Richtiges Verhalten nach einem Verkehrsunfall
Vorbereitung
Um im Ernstfall helfen zu können, sollten sie Ihre Kenntnisse der Ersten Hilfe regelmäßig auffrischen. Im Internet finden Sie dazu kompakte Videos mit wichtigen Hinweisen für den Notfall. Die ideale Auffrischung bietet der Besuch eines Erst-Hilfe-Kurses. Prüfen Sie außerdem, ob Ihr Erst-Hilfe-Kasten noch nicht abgelaufen ist und ob Warnwesten (am besten eine pro Passagier) und ein Warndreieck zur Sicherung der Unfallstelle vorhanden sind. Legen sie Ihre eigenen Versicherungsdaten bereit. Viele Versicherungen stellen hierzu eine kleine Karte mit der konkreten Versicherungsnummer zur Verfügung, die sie im Handschuhfach aufbewahren können. Dort sollten Sie auch einen Stift und die Vorlage eines Unfallberichts hinterlegen. Eine solche Vorlage steht Ihnen auf unserer Website kostenlos zur Verfügung.
Wie verhalte ich mich nach einem Unfall im fließenden Verkehr?
Immer: Zunächst gilt es, Ruhe und einen klaren Kopf zu bewahren.
Schritt 1: Sicherung der Unfallstelle
Die Absicherung der Unfallstelle hat oberste Priorität. Wenn möglich, ist das Fahrzeug von der Fahrbahn zu bewegen. Schalten Sie die Warnblinkanlage ein, legen Sie Ihre Warnweste an und platzieren Sie das Warndreieck mit einem Abstand von 50 bis 150 Schrittlängen zur Unfallstelle (je nach Geschwindigkeit des Verkehrs). Achten Sie dabei auf Ihre eigene Sicherheit.
Schritt 2: Notruf und Erste Hilfe
Danach sollten Sie den Notruf wählen, falls es offensichtlich verletzte Personen gibt. Denn je eher Sie anrufen, desto eher können professionelle Rettungskräfte vor Ort sein. Schildern Sie die Unfallsituation und den Zustand der Verletzten so knapp und präzise wie möglich. Kann der Notruf (bspw. wegen eines Funklochs) nicht per Mobiltelefon erfolgen, kann in Deutschland auf Autobahnen und zahlreichen Bundes- und Landesstraßen eine Notrufsäule aufgesucht werden. Diese orangefarbenen Säulen sind entlang der Leitplanke im Abstand von zwei Kilometern anzutreffen. Kleine schwarze Pfeile auf den Leitpfosten signalisieren, in welcher Richtung sich die nächste Notrufsäule befindet. Ist der Notruf abgesetzt, leisten Sie bei Bedarf Erste Hilfe. Sind mehrere hilfsbereite Personen anwesend, sollten die Aufgaben aufgeteilt werden, sodass Notruf und Erste Hilfe gleichzeitig erfolgen können. Informieren Sie im Falle eines Personenschadens in jedem Fall die Polizei.
Schritt 3: Beweissicherung und Austausch der Versicherungsdaten
Notieren Sie sich das amtliche Kennzeichen, Name, Anschrift und Versicherungsdaten des Unfallgegners, Name und Adressen von Zeugen sowie ggf. Name und Dienststelle des aufnehmenden Polizeibeamten. Sollte die Situation strittig oder unklar sein, ein hoher Sachschaden in Rede stehen, ein Fahrzeug mit Kennzeichen außerhalb der EU ohne Versicherungsnachweis (z.B. grüne Versicherungskarte) beteiligt sein oder sich der Unfallgegner unerlaubt von der Unfallstelle entfernen, sollten Sie die Polizei verständigen.
Dokumentieren Sie den Unfallort, insbesondere die Fahrzeuge in der Stellung nach dem Zusammenstoß sowie die Schäden an den beteiligten Fahrzeugen durch Fotos. Dokumentieren Sie auch Scherben, Bremsspuren, Ölspuren etc. auf der Fahrbahn und messbare Orientierungspunkte wie z.B. Lichtmasten.
Anwaltstipp: Lieber zu viele Fotos mit dem Smartphone machen, als zu wenige!
Fertigen Sie eine Unfallskizze vom Unfallhergang und füllen Sie – idealerweise gemeinsam mit den Unfallbeteiligten – Ihren vorbereiteten Unfallbericht aus.
Geben Sie gegenüber den anderen Unfallbeteiligten und etwaigen Geschädigten in jedem Fall Ihre Personalien (Name, Geburtstag und Anschrift), Ihr Fahrzeug (mit amtlichen Kennzeichen) und Ihre Unfallbeteiligung an, um eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB) auszuschließen.
Zudem sollten Sie Ihre Versicherungsdaten angeben. Die Angabe, dass Sie an dem Unfall beteiligt waren, ist ausreichend. Sie sind nicht verpflichtet, weitere Einzelheiten oder gesammeltes Beweismaterial (z.B. Fotos) zu übermitteln. Sollte Ihr Unfallgegner nicht kommunikationsfähig sein, hinterlegen Sie die erforderlichen Angaben bei der Polizei.
Achtung:
Geben Sie am Unfallort kein Schuldeingeständnis, Schuldanerkenntnis o.ä. ab, auch wenn der Unfallgegner darauf bestehen oder die Polizei Sie dazu ermuntern sollte. Einen Unfallbericht der Polizei sollten Sie sorgfältig aufbewahren, da dieser für die Schadensregulierung entscheidende Bedeutung erlangen kann.
Schritt 4: Verlassen der Unfallstelle
Verlassen Sie die Unfallstelle erst, wenn Sie zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung Ihrer Person, Ihres Fahrzeugs und Ihrer Beteiligung an dem Unfall ermöglicht haben.
Überprüfen Sie vor einer Weiterfahrt mit Ihrem Kfz zunächst die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs. Denken Sie auch daran, Ihr Warndreieck wieder mitzunehmen und Scherben o.ä. aufzuräumen. Falls abgeschleppt werden muss, dürfen Sie grundsätzlich eine Werkstatt aussuchen. Jedoch muss die gegnerische Versicherung, sofern Sie für den Unfallschaden ersatzpflichtig ist, i.d.R. nur das Abschleppen in die nächstgelegene Werkstatt bezahlen.
Schritt 5: Schadensregulierung in die Wege leiten
Tipp: Die Schadensregulierung ist meist ein mühsamer Prozess, da nicht nur sämtliche Schadenspositionen gut dokumentiert und dargelegt werden müssen, sondern auch die Verursachungsbeiträge zu klären sind. Jede Versicherung möchte dabei so wenig wie möglich bezahlen. Rechtsanwälte mit Expertise im Verkehrsrecht können eine Schadensregulierung effektiv begleiten, Ihnen die Schreibarbeit abnehmen und Ihre Ansprüche gegenüber der gegnerischen Versicherung durchsetzen.
Über unseren Onlineservice können Sie Ihren Verkehrsunfall sofort und bundesweit an unsere Rechtsanwälte mit Fachanwalt für Verkehrsrecht, Strafrecht und Versicherungsrecht melden.
Steht Ihnen Schadensersatz zu, so können Sie von der Gegenseite gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB i.d.R. auch Ihre Rechtsanwaltskosten ersetzt verlangen.
Ist ein Mitverschulden bzw. ein Mitverursachungsbeitrag Ihrerseits denkbar? Dann benachrichtigen Sie schnellstmöglich Ihre Kfz-Haftpflichtversicherung. Keinesfalls sollten Sie sich damit länger als eine Woche Zeit lassen, denn bei verspäteter Schadensmeldung kann ein Rückgriff des Versicherers drohen. Benachrichtigen Sie, sofern dies nicht bereits erfolgt ist, auch die Versicherung des Unfallgegners, sofern dieser den Unfall (mit-)verursacht hat. Sind Ihnen die Versicherungsdaten des Unfallgegners nicht bekannt, können Sie diese über das Kennzeichen mithilfe des Zentralanrufs der Versicherer ermitteln.
Um den Unfall mit der gegnerischen Versicherung abzurechnen, benötigen Sie (außer bei einem sog. Bagatellschaden unter 1000 EUR) ein Unfallgutachten. Hierzu reicht Ihr Unfallbericht oder der von der Polizei nicht aus! Sie sollten sich daher an einen erfahrenen und unabhängigen Kfz-Gutachter in Ihrer Region wenden und das weitere Vorgehen besprechen. Sobald das Gutachten vorliegt, kann mit einer Reparatur begonnen werden. Idealerweise liegt zu diesem Zeitpunkt bereits eine Reparaturkostenübernahme der anderen Versicherung vor.
Verweigert die Versicherung des Unfallgegners trotz (Mit-)Verursachung des Unfalls eine (anteilige) Kostenübernahme oder will sie nicht die Kosten übernehmen, die der Gutachter ermittelt hat, wird ggf. eine gerichtliche Klärung erforderlich sein.
Spätestens dann sollten sich an einen auf das Verkehrsrecht spezialisierten Fachanwalt wenden. Hierbei ist zu beachten, dass Ihr eingeholtes Gutachten im Zivilprozess lediglich als substantiierter Parteivortrag gewertet wird und bei einem Streit über den Schadensumfang die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nicht ersetzen kann. Sofern Sie eine Vollkaskoversicherung haben, können Sie sich an diese wenden, falls die gegnerische Versicherung nur teilweise oder gar nicht zahlt. Dies führt allerdings regelmäßig zu einer Höherstufung beim Schadenfreiheitsrabatt.
Sollten Sie nach einem Unfall gesundheitliche Beschwerden verspüren, kommt ggf. Schmerzensgeld in Betracht. Sie sollten zeitnah einen Arzt aufsuchen und Verletzungen fachlich begutachten und v.a. dokumentieren lassen. Ohne einen Beleg mit zeitlich plausiblem Bezug werden Sie später kaum noch eine Chance haben, Schmerzensgeldansprüche durchzusetzen.
Anwaltstipp:
Lieber gleich zum Arzt und einmal zu viel als zu wenig. Was nicht in den ärztlichen Unterlagen steht, wird keine Versicherung anerkennen. Bei vielen Verletzungen tauchen die Beschwerden erst einige Zeit nach dem Unfall, manchmal auch erst in den nächsten Tagen auf!