
EncroChat-Daten auch bei Cannabishandel weiterhin verwertbar
BGH-Urteil zur Verwertbarkeit von EncroChat Daten mit Auswirkungen auf den Handel mit Cannabis
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 30. Januar 2025 (Az. 5 StR 528/24) eine weitreichende Entscheidung zur Verwertbarkeit von EncroChat-Daten im Zusammenhang mit Cannabishandel getroffen. Das Landgericht Berlin hatte zuvor einen Angeklagten in Teilen freigesprochen, weil es die Nutzung dieser Daten nach der Änderung des Cannabisrechts für unzulässig hielt. Der BGH hob diesen Freispruch jedoch auf und stellte klar, dass die Verwertung der EncroChat-Daten weiterhin zulässig ist.
Worum ging es in dem Fall?
Der Angeklagte wurde ursprünglich vom Landgericht Berlin am 3. Mai 2024 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Ecstasy und Kokain) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Zusätzlich warf ihm die Staatsanwaltschaft vor, im Jahr 2020 mit großen Mengen an Cannabis gehandelt zu haben. Die Beweise stammten aus den von Frankreich entschlüsselten EncroChat-Daten, die im Rahmen einer Europäischen Ermittlungsanordnung (EEA) nach Deutschland übermittelt wurden.
Das Landgericht Berlin sprach den Angeklagten hinsichtlich des Cannabishandels frei, weil es die EncroChat-Daten aufgrund der zwischenzeitlichen Gesetzesänderung für nicht mehr verwertbar hielt. Seit Inkrafttreten des Cannabisgesetzes am 1. April 2024 ist der Handel mit Cannabisprodukten in bestimmten Fällen kein Verbrechen mehr, sondern lediglich ein Vergehen. Laut Landgericht sei eine solche gravierende Ermittlungsmaßnahme wie eine Online-Durchsuchung (§ 100b StPO) für diese Taten nicht mehr zulässig, weshalb die Beweise aus EncroChat nicht mehr verwertet werden könnten.
Was hat der BGH entschieden?
Der 5. Strafsenat des BGH hob den Freispruch auf und stellte klar: Die EncroChat-Daten bleiben verwertbar – auch für Taten, die nach der neuen Rechtslage milder bestraft werden können.
- Verwertbarkeit von EncroChat-Daten richtet sich nach deutschem Recht:
- Nach § 261 StPO gibt es keine ausdrücklichen Verwendungsbeschränkungen für solche Beweise.
- Ein Beweisverwertungsverbot kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, etwa wenn die Daten unrechtmäßig erlangt wurden – das war hier nicht der Fall.
- Entscheidend ist der Rechtszustand zum Zeitpunkt der Ermittlungen:
- Die EncroChat-Daten wurden 2020 erfasst, als der Handel mit Cannabis in großen Mengen noch ein Verbrechen nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG war.
- Zum damaligen Zeitpunkt waren die Daten rechtmäßig nach Deutschland übermittelt worden.
- Eine nachträgliche Gesetzesänderung ändert nichts an der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Datengewinnung.
- Unionsrechtliche und verfassungsrechtliche Klarstellung:
- Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Urteil vom 30. April 2024 (C-670/22) klargestellt, dass eine nationale Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Beweisverwertung nicht nachträglich erfolgen darf.
- Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 1. November 2024, 2 BvR 684/22) hat zudem bestätigt, dass die restriktive Anwendung von strafprozessualen Beweisverwertungsregeln in EncroChat-Fällen verfassungsrechtlich unbedenklich ist.
- Keine Bagatelltaten, sondern erheblicher Drogenhandel:
- Der BGH betonte, dass es sich nicht um Kleinkriminalität, sondern um den organisierten Handel mit Cannabis in großen Mengen handelt.
- Der Gesetzgeber habe lediglich eine Strafmilderung, aber keine vollständige Legalisierung solcher Geschäfte beabsichtigt.
Welche Auswirkungen hat die Entscheidung?
- EncroChat-Daten bleiben für frühere Cannabis-Fälle verwertbar:
Wer sich vor dem 1. April 2024 mit Cannabis-Handel strafbar gemacht hat, kann sich nicht auf die neue Gesetzeslage berufen, um die Löschung von Beweisen zu verlangen. - Keine nachträgliche Unverwertbarkeit durch Gesetzesänderungen:
Die Gerichte müssen sich bei der Beweisverwertung an den Rechtszustand zum Zeitpunkt der Tat und der Ermittlungen halten. - Strafverteidigung bleibt komplex:
Trotz milderer Strafen im neuen Cannabisgesetz (KCanG) bleiben viele rechtliche Fallstricke bestehen. Frühere Straftaten können noch verfolgt werden, und bei laufenden Verfahren muss genau geprüft werden, welches Recht angewendet wird.
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