BGH entscheidet zur Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Lasik-Operation an den Augen in der privaten Krankenversicherung
Der u.a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30.03.2017 entschieden, dass eine Fehlsichtigkeit auf beiden Augen von -3 bzw. -2,75 Dioptrien eine Krankheit im Sinne von § 1 Abs. 2 der Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung darstellt und der private Krankenversicherer deshalb bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen auch die Kosten einer Lasik-Operation (Augenlaser) zur Beseitigung dieser Fehlsichtigkeit tragen muss.
Sachverhalt
In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin, die eine solche Operation erfolgreich hatte durchführen lassen, die Erstattung der dafür angefallenen Kosten in Höhe von rund 3.500 €.
In § 1 Abs. 2 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die insoweit den Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK) entsprechen, heißt es:
„Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen (…).“
Die Klage war in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Landgericht als Berufungsgericht hat im Anschluss an Ausführungen des vom Amtsgericht beauftragten medizinischen Sachverständigen angenommen, dass es bereits an einer bedingungsgemäßen Krankheit fehle, weil vom Vorliegen einer Krankheit bei einer Fehlsichtigkeit nur gesprochen werden könne, wenn eine Abweichung vom natürlichen körperlichen Zustand der versicherten Person vorliege, die nicht dem normalen Entwicklungs- oder Alterungsprozess entspreche. Nach den Ausführungen des Sachverständigen seien 30 – 40 % der Menschen im mittleren Alter kurzsichtig und werde von einer pathologischen Myopie nach internationalem Standard erst ab -6 Dioptrien gesprochen. Auch sei der Klägerin das Tragen einer Brille möglich und zumutbar gewesen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof hat demgegenüber klargestellt, dass es für den Krankheitsbegriff in Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht auf das Verständnis in medizinischen Fachkreisen, sondern auf das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ankommt, der davon ausgehen wird, dass zum Normalzustand der Sehfähigkeit ein beschwerdefreies Lesen und eine gefahrenfreie Teilnahme am Straßenverkehr gehört; er wird das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit annehmen, wenn bei ihm eine nicht nur ganz geringfügige Beeinträchtigung dieser körperlichen Normalfunktion vorliegt, die ohne Korrektur ein beschwerdefreies Sehen nicht ermöglicht. Die Korrekturbedürftigkeit der bei der Klägerin vorliegenden Kurzsichtigkeit und die medizinische Indikation für deren Behandlung hatte auch der Sachverständige im Streitfall bejaht.
Der Bundesgerichtshof hat den Rechtsstreit zur Prüfung der weiteren Frage, ob die durchgeführte Operation eine medizinisch notwendige Heilbehandlung darstellte, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Er hat dabei zugleich darauf hingewiesen, dass diese Notwendigkeit bei der gegebenen Bedingungslage nicht allein wegen der Üblichkeit des Tragens einer Brille oder von Kontaktlinsen verneint werden kann. Dies hat er damit begründet, dass das Tragen einer Sehhilfe in Bezug auf die Fehlsichtigkeit keine Heilbehandlung darstellt, Brillen und Kontaktlinsen vielmehr lediglich Hilfsmittel sind, mit denen körperliche Defekte über einen längeren Zeitraum ausgeglichen werden, und die vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer an keiner Stelle deutlich machen, dass die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung grundsätzlich davon abhängen soll, ob er (dauerhaft) auf ein Hilfsmittel zurückgreifen kann, das den bei ihm bestehenden anormalen Körperzustand auszugleichen oder abzuschwächen geeignet ist, ohne am eigentlichen Leiden etwas zu ändern.
Fundstelle:
BGH, Urteil vom 29. März 2017 – IV ZR 533/15
Zitat:
Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 045/2017 vom 30.03.2017
Unser Rechtsanwalt-Tipp:
Die gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten für Augenlaser-Operationen im Normalfall nicht. Allerdings kann in Einzelfällen eine teilweise Kostenerstattung erfolgen. Gerade dann, wenn der Patient durch ärztliche Nachweise belegen kann, dass der Eingriff eine medizinische Notwendigkeit ist, Brille oder Kontaktlinsen keine ausreichende Versorgung darstellen, kann auf eine Erstattung gedrängt werden mit dem Argument, die Sehhilfen korrigieren zwar, beheben die Fehlsichtigkeit jedoch nicht.
Private Krankenkassen hingegen übernehmen Kosten oftmals. Dort wird im Einzelfall entschieden, ob die Behandlungskosten ganz oder teilweise getragen werden. Manche privaten Krankenversicherer haben in ihren Tarifen z. B. eine LASIK-Operation inkludiert. Es ist auf jeden Fall ratsam, sich vor dem Augenlasern wegen einer Kostenübernahme mit seiner Krankenkasse in Verbindung zu setzen.
Augenlasern ist steuerlich absetzbar
Ein weiterer Trost bleibt für alle diejenigen, deren Versicherung sich nicht an den Kosten beteiligt:
Die Behandlungskosten für eine Augenlaser-OP sind nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung regelmäßig von der Steuer absetzbar.
Dr. Marc Herzog
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht
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