BGH: Vorverlegung eines Fluges um mehrere Stunden kann Anspruch auf Ausgleichszahlung begründen
Jedenfalls in einer mehr als geringfügigen Vorverlegung eines geplanten Fluges durch das Luftverkehrsunternehmen (hier: von 17.25 Uhr nachmittags auf 8.30 Uhr morgens) liegt eine – mit dem Angebot einer anderweitigen Beförderung verbundene – Annullierung des Fluges, die einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung begründen kann. Das hat der Bundesgerichtshof in einem Anerkenntnisurteil vom 09.06.2015 klargestellt (Az.: X ZR 59/14).
Rückflug um circa neun Stunden vorverlegt
Die Kläger buchten bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen Flüge von Düsseldorf nach Fuerteventura und zurück. Der Rückflug sollte am 05.11.2012 um 17.25 Uhr durchgeführt werden. Am 02.11.2012 informierte die Beklagte die Kläger, dass der Flug auf 8.30 Uhr vorverlegt worden sei. Die Kläger sind der Auffassung, die Vorverlegung des Fluges um etwa neun Stunden begründe eine Verpflichtung der Beklagten zur Ausgleichzahlung, weil die Flugzeitänderung eine Annullierung gewesen sei, zumindest aber einer deutlichen Verspätung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes gleichgestellt werden müsse.
Unternehmen erkennt Ausgleichsanspruch im Revisionsverfahren an
Die Kläger begehrten Ausgleichszahlungen in Höhe von jeweils 400 Euro nach Art. 5 Abs. 1c in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Satz 1b der Fluggastrechteverordnung vom 11.02.2004 (Verordnung (EG) Nr. 261/2004). Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Landgericht Hannover hat angenommen, dass eine Vorverlegung eines Fluges keine Annullierung im Sinne der Fluggastrechtsverordnung sei (BeckRS 2015, 03100). Die Voraussetzungen einer analogen Anwendung der Vorschriften wie im Fall der großen Verspätung eines Fluges lägen nicht vor. Nach Schluss der mündlichen Revisionsverhandlung hat das beklagte Unternehmen den gegen sich gerichteten Anspruch anerkannt.
BGH: Vorverlegung eines Fluges um mehrere Stunden entspricht Annullierung
Der BGH hatte zuvor darauf hingewiesen, dass jedenfalls in einer mehr als geringfügigen Vorverlegung eines geplanten Fluges durch das Luftverkehrsunternehmen eine – mit dem Angebot einer anderweitigen Beförderung verbundene – Annullierung des Fluges liege, die einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung begründen könne. Für eine Annullierung sei kennzeichnend, dass das Luftverkehrsunternehmen seine ursprüngliche Flugplanung endgültig aufgebe, auch wenn die Passagiere auf einen anderen Flug verlegt würden. Dies sei durch die Rechtsprechung des EuGH (NJW 2010, 43 und NJW 2011, 3776) geklärt, die zur Abgrenzung des Tatbestands der Annullierung vom Tatbestand der großen Verspätung entwickelt worden sei. Die ursprüngliche Flugplanung werde auch dann aufgegeben, wenn ein Flug – wie im Streitfall – um mehrere Stunden „vorverlegt“ werde.