Mindestgröße für Einstellung in den Polizeivollzugsdienst zulässig
Urteil VG Berlin 1. Juni 2017 (VG 5 K 219.16)
Die Vorgaben an die mindestens zu fordernde Körpergröße von Bewerbern für den gehobenen Polizeivollzugsdienst im Land Berlin sind nach einem Urteil des Verwaltungsgericht Berlin nicht zu beanstanden.
Die 154 cm große Klägerin bewarb sich um die Einstellung in den gehobenen Dienst der Kriminalpolizei zum April 2017. Der Polizeipräsident in Berlin lehnte die Bewerbung ab, da die Klägerin die für die Laufbahn vorgeschriebene Mindestgröße von 160 cm für Bewerberinnen (für männliche Bewerber: 165 cm) unterschreite. Zur Begründung ihrer Klage trug die Klägerin vor, ihre gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst stehe außer Frage. Die Anforderungen an die Größe von Bewerberinnen stellten zudem eine mittelbare Diskriminierung von Frauen dar.
Das Gericht wies die Klage ab.
Die Klägerin sei zu Recht nicht in den Polizeivollzugsdienst eingestellt worden. Es sei Sache des Dienstherrn, die aus seiner Sicht maßgeblichen Eignungs-, Befähigungs- und Leistungskriterien im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG zu bestimmen. Dabei stehe ihm ein weiter Einschätzungsspielraum zu, bei dessen Wahrnehmung er sich am typischen Aufgabenbereich der Ämter der Laufbahn zu orientieren habe; Bewerber müssten sich mit ihren individuellen körperlichen Fähigkeiten daher an den vom Dienstherrn getroffenen Vorgaben messen lassen. Anders als bei Einstellungshöchstaltersgrenzen bedürfe die Festlegung einer Mindestgröße keiner gesetzlichen Grundlage. Die Festlegung der Mindestgröße auf 160 cm für Frauen sei sachgerecht und beurteilungsfehlerfrei. Denn für die Durchsetzungsfähigkeit bei körperlichen Auseinandersetzungen und für die Anwendung unmittelbaren Zwangs müssten gewisse körperliche Mindestvoraussetzungen erfüllt sein. Polizistinnen unter 160 cm könnten zudem wegen ihrer Körpergröße als unterlegen wahrgenommen werden und damit auch eher bevorzugtes Ziel von Widerstandshandlungen sein. Eine sachwidrige und geschlechtsbezogene Benachteiligung liege mit Blick auf das mit der Regelung verfolgte Ziel nicht vor.
Gegen das Urteil kann die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg beantragt werden. Die Klägerin hat hiervon bereits Gebrauch gemacht.
Zitiert nach Pressemitteilung VG Berlin Nr. 22/2017 vom 26.06.2017
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Entscheidung des VGH Hessen mit Beschluss vom 25.08.16 – 1 B 976/16. Auch dieser kommt im Ergebnis dazu, dass Mindestgrößen, bezogen auf die jeweilige Polizeivollzugslaufbahn gerechtfertigt sein können.
So heißt es hierzu im Leitsatz der Entscheidung: „Die Festsetzung einer Mindestkörpergröße von 1,60 m für die Einstellung in den Polizeivollzugsdienst ist sachlich gerechtfertigt, um eine störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zu gewährleisten (…)“.
Der VGH Hessen führt ferner hierzu aus: „(…) Es sind bei der Verhältnismäßigkeitskontrolle die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten, wonach über den Zugang zu einem öffentlichen Amt nur anhand der Kriterien „Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung“ zu entscheiden ist. Zur Eignung gehört auch die Erfüllung der körperlichen Voraussetzungen, welche für die Erledigung der Aufgaben aus dem angestrebten Amt erforderlich ist(…). Ferner sei es „nachvollziehbar, dass eine Polizeivollzugsbeamtin, die die Mindestgröße von 160 cm nicht erreicht, bestimmte Festnahme- und Körperschutztechniken beim Einsatz gegen Personen und der Anwendung unmittelbaren Zwangs nicht hinreichend zuverlässig ausführen kann und beim Transport von Personen unter Nutzung von Hebeltechniken nur eingeschränkt einsatzfähig ist (…)“.
Andere erstinstanzliche Verwaltungsgerichte sehen dies hingegen anders.
So führt beispielshaft das Verwaltungsgericht Aachen im Beschluss vom 31.01.17 – 1 L 6/17 bei der Frage auf Zulassung der Bewerberin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hierzu aus:
„(…) Allerdings ist zu beachten, dass die Festlegung von Mindestkörpergrößen den Zugang zum öffentlichen Amt des Polizeivollzugsbeamten, welches als grundrechtsgleiches Recht in Art. 33 Abs. 2 GG normiert ist, in Form einer subjektiven, vom Betroffenen jedoch nicht beeinflussbaren Zugangsvoraussetzung beschränkt. Aus diesem Grunde ist es unter dem Gesichtspunkt, dass die Festlegung der konkreten Größen lediglich in einem Erlass, d.h. auf Verwaltungsebene, festgesetzt wurden, angezeigt und erforderlich, dass der Beklagte der Bedeutung des grundrechtsgleichen Rechts des Art. 33 Abs. 2 GG durch ein hinreichend fundiertes und nachvollziehbares Verfahren zur Ermittlung einer Mindestgröße Rechnung trägt. Dabei hat er neben substantiierten praktischen Erfahrungen von Polizeivollzugsbediensteten auch natürliche Veränderungen wie etwa im Bereich der Körpergrößenverteilung in der deutschen Bevölkerung in den Blick zu nehmen und bei der Festlegung zu berücksichtigen.“
Hierzu passt auch die Entscheidung des Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgerichts mit Urteil vom 26.03.15 – 12 A 120/14, wonach einer Bewerberin wegen ihrer Nichtberücksichtigung in einem Bewerbungsverfahren aufgrund der Körpergröße um Einstellung in den höheren Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zugesprochen worden ist.
Jürgen Liebhart
Rechtsanwalt
Dipl.-Verwaltungswirt (FH)