EU-Fahrerlaubnis nach Sperre in Deutschland „ungültig“: Nachweis der Fahreignung durch neue MPU nötig
Inlandsfahrberechtigung mit ausländischer EU-Fahrerlaubnis nach Sperre gemäß § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB nur bei neuem Nachweis der Fahreignung
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 13.02.2014 entschieden, dass der Inhaber einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis, gegen den nach deren Erteilung wegen in Deutschland (weiter) begangener Verkehrsstraftaten und dadurch gezeigter fehlender Fahreignung eine isolierte Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis gemäß § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches (StGB) verhängt wurde, mit dieser Fahrerlaubnis erst dann wieder zum Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland berechtigt ist, wenn er den Nachweis erbringt, dass er seine Fahreignung wiedergewonnen hat.
Der Kläger begehrte die gerichtliche Feststellung, dass er berechtigt sei, von seiner im Jahr 1996 in der Tschechischen Republik erworbenen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen. Ihm war in Deutschland mit rechtskräftigem Strafurteil vom 1. August 1990 wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs (BAK von 1,75 Promille) in Tateinheit mit Nötigung erneut seine deutsche Fahrerlaubnis entzogen worden; zugleich war eine Sperre für deren Wiedererteilung bis zum 31. Juli 1992 angeordnet worden.
Nach Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis wurde der Kläger in Deutschland (wieder) mehrfach wegen Trunkenheit im Verkehr rechtskräftig verurteilt und es wurde jeweils eine isolierte Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB angeordnet; die letzte Sperrfrist lief zum 14. Februar 2009 ab.
Bei einer Verkehrskontrolle im Oktober 2010 wies der Kläger seinen tschechischen Führerschein vor; in dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren wurde er vom Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis freigesprochen. Daraufhin bat der Kläger das Landratsamt um Überprüfung, ob er berechtigt sei, mit seiner tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen. Das verneinte das Landratsamt; es gebe keinen Automatismus, dass eine aberkannte Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist wieder auflebe.
Im September 2011 erhielt der Kläger in der Tschechischen Republik einen sog. Scheckkartenführerschein über die Fahrerlaubnis der Klassen A und B. In diesem Führerschein ist als Datum der Fahrerlaubniserteilung der 21. März 1996 angegeben.
Seine Klage auf Feststellung, dass er berechtigt sei, aufgrund seiner tschechischen EU-Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland im Straßenverkehr zu führen, haben die Vorinstanzen jeweils abgewiesen.
Auch die Revision des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Die Berechtigung des Klägers, mit seiner 1996 in der Tschechischen Republik erworbenen EU-Fahrerlaubnis entsprechende Kraftfahrzeuge in Deutschland zu führen, war aufgrund der isolierten Wiedererteilungssperren, die in Deutschland gegen ihn verhängt worden waren, gemäß
§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) entfallen. Diese Wiedererteilungssperren gingen auf Verkehrsstraftaten zurück, die der Kläger in Deutschland nach der Erteilung der tschechischen EU-Fahrerlaubnis begangen hatte; dadurch hat er sich nach den rechtskräftigen strafgerichtlichen Feststellungen als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Der Verlust der Inlandsfahrberechtigung nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV tritt ein, ohne dass es hierfür noch einer gesonderten Anordnung durch die Fahrerlaubnisbehörde bedarf. Der Betroffene erlangt seine Inlandsfahrberechtigung gemäß § 28 Abs. 5 FeV erst dann zurück, wenn er den Nachweis führt, dass er wieder zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Diese Regelung steht bei Fällen wie hier im Einklang mit dem unionsrechtlichen Grundsatz, dass ausländische EU-Fahrerlaubnisse anzuerkennen sind.
Den ihm obliegenden Eignungsnachweis hat der Kläger nicht erbracht.
Der Austausch des tschechischen Führerscheindokuments am 11. September 2011 war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht mit einer Eignungsüberprüfung verbunden.
BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014, Az. 3 C 1.13
Vorinstanzen:
VGH München, 11 BV 12.21 – Urteil vom 19. November 2012 –
VG München, M 1 K 11.4477 – Urteil vom 22. November 2011 –
Zitat:
Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung Nr. 12/2014 vom 13. Februar 2014
Kommentar von Dr. Marc Herzog, Rechtsanwalt und Fachanwalt aus Rosenheim:
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.02.2014 bestätigt erneut die grundsätzliche Pflicht der Mitgliedsstaaten zur gegenseitigen Anerkennung von EU-Fahrerlaubnissen.
Wer auf rechtmäßigem Weg nach einem Entzug der Fahrerlaubnis und nach Ablauf einer verhängten Sperre für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis in einem EU-Mitgliedsstaat eine neue EU-Fahrerlaubnis erwirbt, darf im Umfang der erteilten Fahrerlaubnis auch in der Bundesrepublik Deutschland Kraftfahrzeuge führen. So steht es auch in § 28 I FeV (siehe hierzu auch unseren weiteren Artikel in unserem AnwaltBlog).
Diese vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) seit dem Urteil vom 29.04.2004 („Kapper-Entscheidung“) unter der Geltung der 2. Führerschein-Richtlinie entwickelten Grundsätze gelten auch in gleicher Weise nach Inkrafttreten der 3. Führerschein-Richtlinie fort. Auch unter Geltung der 3. Führerschein-Richtlinie müssen EU-Fahrerlaubisse bzw. EWR-Fahrerlaubnisse von allen Mitgliedstaaten vorbehaltlos anerkannt werden.
Hiervon gelten aber die in § 28 IV FeV gesetzlich geregelten Ausnahmen. Die Berechtigung trotz einer erteilten EU-Fahrerlaubnis gilt nicht für Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis bzw. EWR-Fahrerlaubnis,
“
1.
die lediglich im Besitz eines Lernführerscheins oder eines anderen vorläufig ausgestellten Führerscheins sind,
2.
die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, dass sie als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Absatz 2 die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben,
3.
denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben,
4.
denen auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf,
5.
solange sie im Inland, in dem Staat, der die Fahrerlaubnis erteilt hatte, oder in dem Staat, in dem sie ihren ordentlichen Wohnsitz haben, einem Fahrverbot unterliegen oder der Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung beschlagnahmt, sichergestellt oder in Verwahrung genommen ist,
6.
die zum Zeitpunkt des Erwerbs der ausländischen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis Inhaber einer deutschen Fahrerlaubnis waren,
7.
deren Fahrerlaubnis aufgrund einer Fahrerlaubnis eines Drittstaates, der nicht in der Anlage 11 aufgeführt ist, prüfungsfrei umgetauscht worden ist, oder deren Fahrerlaubnis aufgrund eines gefälschten Führerscheins eines Drittstaates erteilt wurde, oder
8.
die zum Zeitpunkt der Erteilung einer Fahrerlaubnis eines Drittstaates, die in eine ausländische EU- oder EWR-Fahrerlaubnis umgetauscht worden ist, oder zum Zeitpunkt der Erteilung der EU- oder EWR-Fahrerlaubnis auf Grund einer Fahrerlaubnis eines Drittstaates ihren Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, dass sie die ausländische Erlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Absatz 2 in eine ausländische EU- oder EWR-Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts umgetauscht haben“
(§ 28 IV FeV in der Fassung vom 10.1.2013).
Die Befugnis zur Ablehnung der Gültigkeit von anderen Mitgliedsstaaten ausgestellten EU-Fahrerlaubnissen stellt auch weiterhin aber einen eng auszulegenden Ausnahmetatbestand dar.
Auch nach Geltung der 3. Führerschein-Richtlinie kann die Gültigkeit einer in einem anderen EU-Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis nur dann abgelehnt werden, wenn sie während einer Sperrfrist erteilt worden ist. § 28 IV 1 Nr. 3 FeV ist somit weiterhin auch unter Geltung der 3. Führerschein-Richtlinie nur auf Fälle anwendbar, in denen eine ausländische EU- bzw. EWR-Fahrerlaubnis während einer noch laufenden Sperrfrist erteilt worden ist.
Das BVerwG stellt auch nochmals klar, dass der Austausch eines EU-Führerscheindokuments welcher nicht mit einer Eignungsüberprüfung verbunden ist, nicht zu einer neuen Lenkberechtigung führt.
Der Umtausch bzw. die Neuausstellung eines Führerscheines ist also nicht automatisch auch eine Neuerteilung einer Fahrerlaubnis!
Achtung:
Wenn Sie ohne gültige Fahrerlaubnis fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge führen, machen Sie sich strafbar! Die Rechtslage zur EU-Fahrerlaubnis bzw. zum EU-Führerschein ist komplex. Verlassen Sie sich nicht auf Halbwissen oder dubiose Angebote. Kontaktieren Sie immer einen Rechtsanwalt, der sich auf dem Gebiet der EU-Fahrerlaubnis auskennt!